02.05.2024

Warnstreik am Freitag: Wie sich Fahrgäste in der Region auf den Streik einstellen

Der Nahverkehr der RNV steht am Freitag still. Das macht den Kunden Probleme. Doch sie haben Verständnis für die Beschäftigten.

Von Carsten Blaue und Alexander Albrecht

Schriesheim/Heidelberg. Am Schriesheimer RNV-Bahnhof stehen am Donnerstagmorgen viele Fahrgäste – Schüler, Pendler und andere treue Kunden des Nahverkehrs. Sollten sie auch am Freitag hier stehen, werden sie vergeblich auf einen Zug der Linie 5 warten. Am 3. März legen die Beschäftigten der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) nämlich ihre Arbeit nieder. Nichts wird fahren. Kein Bus, keine Straßenbahn im gesamten Verkehrsgebiet der RNV in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen. Und eben auf der Ringlinie 5. Viele Fahrgäste bringt das in Schwierigkeiten. Doch sie haben Verständnis für den Streik.

Dieser beginnt mit Betriebsbeginn am Freitag um 3 Uhr und endet erst zu Betriebsschluss in der Nacht zum Samstag, 4. März. Auch Schülerverkehre, welche die RNV im Auftrag der Kommunen bedient, sind davon betroffen. Die Mobilitätszentren in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen werden ebenfalls geschlossen sein.

Am Schriesheimer Bahnhof warten am späteren Donnerstagvormittag auch drei Schülerinnen aus Dossenheim. Die 15-Jährigen gehen in die neunte Klasse der Schriesheimer Kurpfalz-Realschule. Die eine sagt: "Am Freitag wird mich meine Mutter zur Schule fahren."

Ihre Mitschülerin würde ja das Fahrrad nehmen. Sie hat aber gerade keines. Also wird sie ihr Vater bringen. Auch die Dritte wird morgens von den Eltern gebracht, "und nachmittags muss ich dann nach Hause laufen."

Eine 22 Jahre alte Studentin ist völlig überrascht, als sie vom Streik hört: "Ja, gut zu wissen. Das ist jetzt Mist. Ich wohne in Rohrbach und muss am Freitag zum Hauptbahnhof. Das wird jetzt ein Problem. Hätten Sie mich jetzt nicht angesprochen, hätte ich den Zug verpasst." Jetzt will sie das Rad nehmen. Für den Streik hat sie Verständnis. "Ich finde streiken grundsätzlich richtig, um sich für Arbeitnehmerinteressen einzusetzen. Ich verstehe die Lohnforderungen. Es geht hier auch um soziale Gerechtigkeit."

Auch die 65 Jahre alte Krankenschwester aus Schriesheim, die in der Heidelberger Uniklinik arbeitet, versteht den Streik: "Schließlich wird alles teurer." Und die Arbeitnehmer müssten schon ordentlich bezahlt werden. Auch im Nahverkehr.

Sie hat gerade einige Nachtwachen hinter sich gebracht und daher am Freitag frei: "Sonst hätte ich ein echtes Problem. Denn ich bin auf die Linie 5 angewiesen. Ich habe kein Auto. Und ich hätte nicht gewusst, wie ich zur Arbeit kommen soll. Ein Taxi hätte ich sicher nicht genommen."

Kein regelmäßiger ÖPNV-Nutzer ist der Senior aus Eppelheim, der am Heidelberger Bismarckplatz in der Sonne steht. Doch auch er kann nachvollziehen, dass die RNV-Beschäftigten ihre Arbeit niederlegen: "Das Geld ist ja schon knapp."

In Schriesheim hat der Streik auch Auswirkungen auf den Start des Mathaisemarkts. Dieser wird am Freitagabend mit der Krönung der Weinhoheiten im Festzelt eröffnet. Meist bleiben hier die Schriesheimer und ihre Gäste aus der unmittelbaren Nachbarschaft zwar unter sich. Doch später am Abend füllt sich der Rummelplatz normalerweise mit jungen Leuten aus der ganzen Region.

Für diese bleibt nur ein Umweg, wenn sie die Öffentlichen nutzen wollen: mit Regionalzügen der Deutschen Bahn (DB) bis zum Ladenburger Bahnhof und von hier aus mit der Buslinie 628 nach Schriesheim. Diese wird nämlich nicht von der RNV bedient, sondern von der BRN Busverkehr Rhein-Neckar GmbH, einer Tochtergesellschaft der DB Regio AG. Bürgermeister Christoph Oeldorf lässt eine Anfrage der RNZ unbeantwortet. Er sei wegen des Mathaisemarkts terminlich sehr eingespannt, richtet seine Sprecherin aus.

Vor zehn Jahren waren die RNV und Verdi bei ihren Tarifverhandlungen heftig aneinandergeraten, an mehreren Tagen blieben Straßenbahnen und Busse im Depot. Das Unternehmen hatte damals wie heute zwei Haustarifverträge.

Eine Folge aus dem Arbeitskampf 2013: Bei den Gehältern übernimmt die RNV inzwischen den Abschluss aus dem Öffentlichen Dienst, um den die Gewerkschaft und die Kommunalen Arbeitgeberverbände aktuell ringen. "Insofern sind wir im engeren Sinn gar kein Tarifpartner mehr", sagt Unternehmenssprecher Moritz Feier der RNZ.

Verdi fordert für die Angestellten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber bieten derzeit ein Plus von fünf Prozent über 27 Monate an. Die Arbeitsbedingungen im ÖPNV seien jetzt schon "nicht so attraktiv", dass es schwierig werde, die dringend benötigten neuen Fahrerinnen und Fahrer zu gewinnen, meint Nadja Kürten von Verdi Rhein-Neckar.

Die RNV erhoffe sich einen "ausgewogenen Abschluss", so Feier. Man wolle ein interessanter Arbeitgeber sein und bleiben. Und mittelfristig brauche es neues Personal, um den politisch gewollten Ausbau des ÖPNV meistern zu können. Dass die RNV zuletzt den Fahrplan reduzieren musste, hatte laut Feier aber einen anderen Grund: den hohen Krankenstand. Einen größeren wirtschaftlichen Schaden richteten einzelne Streiktag nicht an, sagt der Sprecher. Ob und wie sich höhere Gehälter auf die Fahrkartenpreise niederschlagen, entscheide nicht die RNV, sondern der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN).

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung