19.04.2024

Seit 1989 verbindet ein Schild die einstigen Bergstraßen-Feinde

Der Dossenheimer Bürgermeister David Faulhaber (3.v.r.) weihte mit seinem Amtskollegen Christoph Oeldorf (3.v.l.) sowie ihren beiden Vorgängern Hans Lorenz (r.) und Hansjörg Höfer (l.) das renovierte „Verbrüderungsschild“ ein. Mit dabei waren auch Andrea Kremer, die stets für die hübsche Bepflanzung sorgt, und Michael Barget vom Dossenheimer Bauhof (2.v.r.). Foto: Dorn
Der Dossenheimer Bürgermeister David Faulhaber (3.v.r.) weihte mit seinem Amtskollegen Christoph Oeldorf (3.v.l.) sowie ihren beiden Vorgängern Hans Lorenz (r.) und Hansjörg Höfer (l.) das renovierte „Verbrüderungsschild“ ein. Mit dabei waren auch Andrea Kremer, die stets für die hübsche Bepflanzung sorgt, und Michael Barget vom Dossenheimer Bauhof (2.v.r.). Foto: Dorn

Wer ist hier mit wem verbrüdert? Seine Renovierung wurde jetzt mit Frotzeleien gefeiert.

Von Micha Hörnle

Dossenheim/Schriesheim. Die beiden einst verfeindeten Bergstraßen-Kommunen haben seit Freitag, kurz vor der Eröffnung des Mathaisemarkts, ihr "Verbrüderungsschild" wieder – und zwar frisch renoviert und hübsch bepflanzt.

Es steht seit 1989 an einem Feldweg auf der Gemarkungsgrenze, Hunderte von Spaziergängern und Radfahrern kommen hier jeden Tag vorbei: Auf der einen Seite grüßt diese "Schriese verbrüdert mit Dossene", auf der anderen "Dossene verbrüdert mit Schriese".

Dabei hatte alles ziemlich unerfreulich begonnen: Kurz nach Jahresbeginn hatte Andrea Kremer bemerkt, dass sämtliche Pflanzen und die Weihnachtsdeko aus dem Pflanztrog des Schildes herausgerissen waren und auf einem Zettel angekündigt, dass sie erst mal keine Blumen mehr einsetzen will.

Kremer kümmert sich schon seit etlichen Jahren um die Bepflanzung, denn sie hat eine besondere Beziehung zu dem "Verbrüderungsschild": Sie stammt aus Dossenheim, hat aber nach Schriesheim geheiratet. Fast zeitgleich fand man auch im Dossenheimer Rathaus, dass man das in die Jahre gekommene Holzschild mal wieder renovieren sollte.

Die Idee dazu hatte Frank Röger, ein Schriesheimer, der in Dossenheim Hauptamtsleiter ist. Und am gestrigen Freitag war es endlich so weit: Das Schild steht nach zweiwöchiger Aufarbeitung durch den Dossenheimer Bauhof an der alten Stelle, und die beiden Bürgermeister David Faulhaber (Dossenheim) und Christoph Oeldorf (Schriesheim) feierten aufs Neue die "Verbrüderung" beider Kommunen.

Dazu waren auch ihre Vorgänger gekommen: Peter Denger und Hans Lorenz (Dossenheim) sowie Hansjörg Höfer (Schriesheim). Peter Denger bildete damals mit seinem Amtskollegen Peter Riehl ein in der Region bekanntes Tandem: "der rote und der schwarze Peter", denn Denger war Sozialdemokrat und Riehl konservativ (ohne aber Parteimitglied zu sein).

Während Riehl krankheitsbedingt fehlte – allerdings grüßte ihn Faulhaber vom "Verbrüderungsschild" aus" – erinnerte sich Denger, der in zwei Wochen 80 Jahre alt wird, an die Anfänge dieses Schildes: Beide Kommunen haben zwar zwei französische Partnergemeinden, "aber zu wenige Gelegenheiten, mit denen zu feiern". Also suchte man einen weiteren Grund: die Verbrüderung Schriesheims und Dossenheims.

Dabei lebten beide in jahrhundertelanger Erzfeindschaft. Als 1989 das Schild bei der Dossenheimer Kerwe aufgestellt wurde, war viel die Rede von früheren ständigen Reibereien und Prügeleien: Riehl erinnerte sich daran, wie sein Vater im Kampf gegen die Dossenheimer mit einem "Boanepahl" (einer Bohnenstange) ausrückte.

Aber auch die waren nicht viel zimperlicher: "Frieha, wonn man en Schriesemer gsehe hot, hot’s gehaße: Nix wie ins Feld, die Brickel holle und druf", sagte der damalige Kerwepfarrer Norbert Gehrig. Das wollte man damals endgültig hinter sich lassen – zumal seit 1973 keine Landkreisgrenze mehr die beiden Nachbarn voneinander trennt (Schriesheim gehörte bis dahin zum Landkreis Mannheim, Dossenheim zum Landkreis Heidelberg).

Wobei: Es wird immer noch gern gefrotzelt: Dass etliche "Schriesemer" im Dossenheimer Rathaus arbeiten, nannte Faulhaber "Entwicklungshilfe", wozu sich sein Amtskollege Oeldorf "nicht weiter äußern wollte". Zusammen stieß man dann mit Schriesheimer Wein an, Faulhaber lobte "die gute und enge Zusammenarbeit" beider Gemeinden, und auch Oeldorf will "die Gemeinsamkeiten zwischen Schriesheim und Dossenheim weiter pflegen".

Auch so gibt es so viel Verbindendes: Die "Dossemer" gehen gern nach Schriesheim zum Feiern (wie eben seit Freitag auf den Mathaisemarkt) und oft dort auf die weiterführenden Schulen. An ihre gemeinsame Zeit an der Schriesheimer Realschule erinnert sich Andrea Kremer noch gut, schließlich gehörte sie vor 50 Jahren zusammen mit ihren Mit-Dossenheimerinnen Petra Meisl, Rita Körbel und Sieglinde Gärtner sowie der Schriesheimerin Christina Cardano zu den ersten Schülerinnen. Das Gebäude – das erste im damals frisch errichteten Kurpfalz-Schulzentrum – war noch nicht fertig, also wurden sie im Schriesheimer Rathaus unterrichtet. Noch heute trifft man sich als "die Rebläuse". Das "Verbrüderungsschild" hat auch dabei eine wichtige Funktion: Hier steckt man sich Nachrichten zu. Auch Petra Meisl findet: "Hier kommt man immer ins Gespräch, das ist ein nettes Miteinander."

Ansonsten, so sagte Denger, wurde trotz aller "Erzfeindschaft" schon mal zwischen den Ortschaften, wenn auch nicht ohne Probleme, "poussiert". Einmal wollte das etwas reichere Dossenheim seinem notorisch klammen Nachbarn Schriesheim sogar mal Geld leihen, wie sich Denger erinnert, und Faulhaber fragte schelmisch: "Hat sich daran heute etwas geändert?" Doch das Regierungspräsidium unterband diese Art der interkommunalen Zusammenarbeit. Zu Zeiten des "roten und des schwarzen Peters" wurde sogar im Dossenheimer Rathaus geflaggt, wenn Riehl kam – und Oeldorf erwartet das nun auch.

Es wurde bei der Schildeinweihung also viel gelacht und ein bisschen geflachst. Und Andrea Kremer freut sich, dass "aus einem traurigen Anlass jetzt ein so schöner geworden ist". Das Miteinander der beiden Kommunen soll jetzt jedes Jahr am ersten Mathaisemarkt-Tag gefeiert werden. Natürlich am "Verbrüderungsschild".

Copyright (c) rnz-online
Autor: Rhein-Neckar-Zeitung