08.09.2024

Kammerchor begeistert mit Mischung aus südländischer Musik und Rezitationen

Das Publikum auf dem rappelvollen Bürgermeister-Rufer-Platz erfuhr viel über Spanien bei diesem Konzert. Zudem spielte das Wetter mit.

Von Nicoline Pilz

Schriesheim. "Wenn sie es irgendwie vermeiden können, gehen Spanier abends nicht ins Bett." Stattdessen treffe man sich ständig mit Freunden, wobei sich Verabschiedungen noch länger hinziehen als die Begrüßungen. Schließlich müsse man ja festlegen, wo man sich das nächste Mal trifft. Oder man nimmt eben doch noch einen Absacker in der Bar um die Ecke. So berichtete es Dorothee Grieshammer bei der "Serenade unter der Linde", für die der Kammerchor am Sonntagabend einen spanischen Schwerpunkt gesetzt hatte.

Das Publikum auf dem rappelvollen Bürgermeister-Rufer-Platz – teilweise musste es stehen oder mit den Treppenstufen zum Schulhof vorliebnehmen – erfuhr viel über Spanien bei diesem Konzert. Vor allem über das Lebensgefühl und Liebesleid der Südeuropäer – und ja, auch das eine oder andere Klischee kam zur Sprache: Der Stolz der Spanier, ihre Abscheu vor Zebrastreifen, ihre Freude am Stierkampf und ihr Talent für Fußball. "Und die Männer heißen alle José und lieben Stierkampf – zumindest in der Oper ‚Carmen‘", sagte Grieshammer. Und leitete damit über zur temperamentvollen (und stolzen) Komposition "Toreador & Habanera" von Georges Bizet. Da war schon eine gute Dreiviertelstunde der "Serenade unter der Linde" vorüber – Dirigent Markus Karch, sein Orchester und die rund 35 Sängerinnen und Sänger hatten sich ebenso eine Pause verdient wie auch die Zuhörer an sich. Es war endlich mal ein lauer Sommerabend, das ein oder andere Schörlsche durfte da sein.

Karchs "Serenade unter der Linde" forderte die Konzentration ihrer Zuhörer, denn zum einen wäre es bei Grieshammers Rezitationen schade um jedes Wort gewesen, das man nicht verstanden hätte, wie sich zum anderen aber auch Gesang und Musik sehr rein ins Ohr schmeichelten. Wie viel Zeit Markus Karch allein in die Programmsuche und -auswahl gesteckt hatte, sagte er eingangs nicht.

Er kündigte die bezaubernde Musik der Renaissance sowie auch vielfältige spanische Volksweisen an. Ihm selbst wäre es ja lieber gewesen, es hätte, so wie früher, gar kein schriftliches Programm für die Besucher gegeben, sondern das Ganze wäre Stück für Stück eine Überraschung geblieben. Aber obwohl der Dirigent sagte, er sei kein Fan von Programmheften, machen sie angesichts der Vielzahl an ganz unterschiedlichen Beiträgen einfach Sinn. Denn Texte übers Schlafen und Feiern (oder Einkaufen) wechselten sich mit spanischen und andalusischen Volksliedern, mit Jazz von Chick Corea und Al Jarreau, mit Traditionals, anonymen Kompositionen, mit Märchen und Gedichten ab.

Grieshammers begleitende Erläuterungen über Liedinhalte waren ebenso willkommen wie ihre Gedichtrezitationen, hier beispielsweise das "Gedicht 20" von Pablo Neruda – allerdings kein Spanier, sondern ein Chilene – mit den berührenden Zeilen: "Die Liebe ist so kurz, so lange ist das Vergessen." Es stammt aus dem Band "20 Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung", das Neruda mit kaum 20 Jahren mit einem Schlag berühmt machte.

Viel Zeit für Melancholie blieb nie, denn schon der darauffolgende Beitrag brachte die Zuhörer, die auch aus umliegenden Gemeinden in großer Zahl kamen – wieder zum Lachen, zum Staunen und zum Klatschen.

Am Sonntag, 28. Juli, tritt Karchs Konzertchor Dilsberger Kantorei in Ladenburg auf: Um 18.30 Uhr taucht das Publikum an der Wehrmauer (bei Regen im Domhof) in "Traumwelten" ein. Es geht um "Hexen, Zauberer und Elfen".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung