27.04.2024

"Swatting" in Dossenheim/Schriesheim: Plötzlich standen Feuerwehr und Polizei im Haus

Per Handy-App ging bei der Leitstelle ein falscher Notruf ein. Das US-Phänomen "Swatting" schwappt in die Region über.

Dossenheim/Schriesheim. (bmi) Fehlalarme gehören für die Feuerwehr zum normalen Geschäft. Trotzdem gilt das Motto: lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Anders verhält es sich beim jüngsten Fall der Dossenheimer Wehr: Hier wurden offenbar die Notrufapp "Nora" missbraucht und die Einsatzkräfte getäuscht. Nun ermittelt die Polizei wegen einer böswilligen Alarmierung und sieht einen Fall des "Swattings" (siehe unten).

Es ist Mittwoch, 17.40 Uhr: 14 Einsatzkräfte der Feuerwehr mit drei Fahrzeugen sowie Rettungsdienst und Polizei eilen in die Goethestraße. Zwar ist dort "nur" ein kleines Feuer gemeldet, jedoch handelt es sich hier um ein sechsstöckiges Wohngebäude direkt an der Bundesstraße B3.

Vor Ort wird schnell klar: Es liegt kein Brand vor, sondern vielmehr ein Missbrauch des Notrufs. Dieser ging per Handy-App "Nora" an die für den Rhein-Neckar-Kreis zuständige Leitstelle Ladenburg ein, wie Kommandant Stefan Wieder erklärt. "Dabei werden auch Telefonnummer und Name der meldenden Person übermittelt."

Tatsächlich ist die angegebene Frau auch vor Ort anzutreffen: "Sie wusste überhaupt nicht, was und wie ihr geschieht und ist aus allen Wolken gefallen", schildert Wieder. Die junge Dame konnte glaubhaft machen, dass sie keine entsprechende App nutzt und auch keinen Notruf abgesetzt hat.

Polizeisprecherin Yvonne Schäfer bestätigt auf RNZ-Nachfrage den Vorfall. "Das Absetzen falscher Notrufe kommt gerade immer mehr auf und schwappt nun auch in unsere Region über", sagt Schäfer. Im Polizeipräsidium Mannheim sei dies nun der zweite Fall binnen zehn Tagen.

In der vergangenen Woche kam das Phänomen bereits in Schriesheim auf: Hier war die Feuerwehr nachts um 23 Uhr zu einem Gasaustritt in einem Mehrparteienhaus in die Landstraße gerufen worden. Eine Gefahrenlage? Fehlanzeige!

Die Polizei ermittelt nun zu den beiden Vorfällen. Für die oder den Verursacher kämen laut Schäfer verschiedene Straftatbestände in Betracht, vom Missbrauch von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln bis zum Vortäuschen einer Straftat. Hier sind neben Geld- auch Freiheitsstrafen von bis zu einem, beim Vortäuschen bis zu drei Jahren möglich.

Die als Melderin via App genannte Person muss dagegen laut der Polizeisprecherin keine juristischen Folgen oder die Kostenübernahme für den mutwillig von Dritten herbeigeführten Fehlalarm befürchten.

Feuerwehrkommandant Wieder äußert "absolutes Unverständnis" für solche Aktionen, die alles andere als ein Kavaliersdelikt seien und für die betroffene Person eine ebenso unangenehme Situation bedeuten wie für die Einsatzkräfte.

"Nora" ist die offizielle Notruf-App der Bundesländer. Sie ist seit September 2021 im Einsatz und wurde entwickelt, um auch beeinträchtigten Menschen mit eingeschränktem Hör- oder Sehvermögen das Absetzen eines Notrufs zu ermöglichen. So können Bürger im Notfall mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst Kontakt aufnehmen, ohne sprechen zu müssen, etwa via Textnachricht und Chat mit der Einsatzzentrale. Auch ein sogenannter "stiller Notruf" ist möglich für Situationen, in denen der Notruf im direkten Umfeld unbemerkt bleiben soll. Bei der Installation der App ist es verpflichtend, Telefonnummer und Namen anzugeben.

"Swatting" bezeichnet das Absetzen falscher Notrufe mit dem Ziel, größere Polizeieinsätze zu provozieren. Der Begriff kommt von SWAT, der Spezialeinheit "Special Weapons and Tactics" der US-amerikanischen Polizei. In den USA ist das Phänomen besonders verbreitet. Häufig werden Prominente Opfer, vor deren Wohnsitz unvermittelt die Polizei auftaucht. Beim "Swatting", setzen die Absender zur Verschleierung ihrer Identität häufig Technik ein, die beim Angerufenen eine falsche Telefonnummer zeigt. Aber auch Notruf-Apps, wie eben "Nora", werden für die böswilligen Alarmierungen genutzt. bmi

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung