29.04.2024

Jugendgemeinderäte kritisieren "Regelungswut"

"Es werden immer mehr Steine in den Weg gelegt": Mathis Taufertshöfer und Mika Kühnle im Interview. Nächstes Großprojekt ist der Bolzplatz.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Unlängst präsentierten Mathis Taufertshöfer (15) und Mika Kühnle (16) die Halbzeitbilanz des Jugendgemeinderates im "großen" Gemeinderat – und ernteten für ihre gekonnte Präsentation viel Lob. Dabei sagten sie auch ganz offen, was ihnen gerade in ihrer Arbeit das Leben schwer macht.

Und sie präsentierten auch das neue Projekt "Bolzplatz". Grund genug bei den "alten Hasen" – Mika ist seit fünf, Mathis seit dreieinhalb Jahren im Jugendgemeinderat – nachzufragen, was sie stört und was sie wollen. Kritikfreudige "Revoluzzer" sind die beiden nicht, sie antworten ausgewogen und überlegt.

Mathis und Mika, Ihr beiden seid jetzt schon relativ lange Jugendgemeinderäte. Habt Ihr das schon mal bereut?

Mika Kühnle: Bereut nicht, aber in dieser Amtszeit gab es schon Phasen, in denen die Arbeit weniger Spaß machte. Wir hatten das Gefühl, dass uns immer mehr Steine in den Weg gelegt werden, wenn wir Projekte umsetzen wollen. Uns geht es aber nicht nur um Spaß, sondern vor allem darum, etwas im Sinne der Kinder und Jugendlichen zu bewegen. Wenn man etwas bewegen will, ist Spaß nicht das Entscheidende.

Welche Steine sind Euch denn in den Weg gelegt worden?

Mathis Taufertshöfer: Uns wurden viele Richtlinien vorgegeben, die ja an sich auch richtig sind – wie der Datenschutz oder das Recht an geistigem Eigentum, wenn es um Grafiken oder Fotos für unsere Plakate oder die Werbung geht. Aber wir veranstalten auch mehr Events als je zuvor, und so müssen wir uns auch an mehr Richtlinien halten. Aber wir haben das Gefühl, alles wird strenger gehandhabt.

Mika: Ich sage mal so: Früher waren wir in einer Grauzone, jetzt ist alles dunkelgrau.

Könnt Ihr ein konkretes Beispiel geben?

Mathis: Ja, die Richtlinien betreffen unsere Werbung, aber auch die Möglichkeit, mit der Presse zu kommunizieren. Alles ist stark eingeschränkt. Unsere gesamte Öffentlichkeitsarbeit wird jetzt vom Rathaus gesteuert. Früher haben wir unsere Plakate einfach selbst entworfen, heute muss alles über das Rathaus laufen – und jeder Zwischenschritt bedeutet natürlich auch direkt wieder mehr Zeit, Aufwand und gegebenenfalls auch Fehlerquellen.

Mika: Oder zum Beispiel das Sommerfest: Da bekamen wir auf einmal Probleme wegen der Hygienevorschriften: Es wurde sogar eine Schutzwand für den Kuchenverkauf gefordert. So etwas wird immer mehr, das schränkt unsere Möglichkeiten doch sehr ein. Ich bin froh, dass unsere Eltern uns unterstützen, sonst wären etliche Veranstaltungen wohl ins Wasser gefallen.

Aber das macht ja das Rathaus nicht, weil es Euch gängeln will ...

Mika: Ich verstehe ja, warum die Stadt das macht. Aber ich habe auch vier Jahre lang erlebt, dass alles anders, weniger streng, gehandhabt wurde. Und im Vergleich zu früher stellen wir viel mehr auf die Beine. Und noch viel mehr wäre möglich, wenn die Vorgaben nicht so streng wären.

Mathis: Ich habe das Gefühl, dass es mit jedem Projekt schwieriger wird.

Wie könnte man da Abhilfe schaffen?

Mathis: Uns ist ja vollkommen bewusst, dass sich der Jugendgemeinderat als Organ der Stadt an Regeln halten muss, aber man könnte uns mehr dabei unterstützen. Wir waren auch auf Treffen mit anderen Jugendgemeinderäten. Die haben erzählt, dass es bei ihnen Jugendreferenten im Rathaus gibt. So jemand mit einem großen Erfahrungsschatz in Sachen Jugendarbeit und mehr rechtlichen Möglichkeiten wäre für uns perfekt.

Aber einen hauptamtlichen Jugendsozialarbeiter gibt es ja bei uns nicht. Es heißt, die Stelle würde nur ausgeschrieben, wenn das "Push"-Gebäude renoviert ist. Wobei gleichzeitig auch klar sein muss, dass die Stadt uns bei vielen Dingen unterstützt, insbesondere Claudia Wetzel, für deren Hilfe wir sehr dankbar sind.

Mika: So ein Ansprechpartner wäre super, er muss sich ja nicht nur um den Jugendgemeinderat kümmern.

Seid Ihr denn jetzt frustriert?

Mika: Zum ersten Mal in meinen viereinhalb Jahren habe ich das Gefühl, dass alle 14 Jugendgemeinderäte Lust haben, mit anzupacken – und nicht nur ein paar Leute wie früher. Aber dann gibt es immer wieder einen neuen Stolperstein für uns.

Mathis: Mika und ich wissen ja, dass es mal anders war: Da hatten wir eine Idee und suchten uns Unterstützer. Jetzt müssen wir immer Anfragen ans Rathaus schicken, das ist viel aufwändiger.

Mika: Jetzt ist es an der Zeit, auch mal kritisch zu sein. Denn es ist wichtig, dass der Jugendgemeinderat die Möglichkeit bekommt, wieder mehr eigenständig machen zu können. Vielleicht ist das ja der Startschuss für Veränderungen.

Ihr habt ja vor dem Gemeinderat auch, wenn auch etwas verklausuliert, Kritik geübt, aber auch eine Halbzeitbilanz vorgelegt. Wie lautet denn die?

Mathis: Wir machen jeden Monat ein Event, also zum Beispiel einen Film- oder Spieleabend, bisher zwei Fußballturniere, aber auch das Schulduell am Mathaisemarkt. Aber ich glaube, in dieser Amtszeit wird der Bolzplatz am wichtigsten.

Mika, Du hast bei einem Stadtrundgang mit der SPD ja schon mal das Projekt vorgestellt. Was ist genau geplant?

Mika: Konkret geht es um einen Platz im Sportzentrum, zwischen Rasenplatz und dem Zaun zum Rindweg. Da ist eine kleine Grünfläche, die man noch einebnen muss. Und sie muss umzäunt werden, damit niemand aufs Gelände vom Sportverein gelangen kann. Wir haben uns schon mit dem Bauamt unterhalten: Da stehen Kosten von 40.000 Euro im Raum. Und man muss sich mit der Turnverein-Leichtathletikabteilung austauschen, ob die Fläche tatsächlich noch aktiv genutzt wird und man da eine Lösung findet.

Mathis: Der Zaun sind die Hauptkosten. Wir wollen den Bolzplatz simpel halten, eigentlich brauchen wir nur zwei Tore. Natürlich wäre es gut, könnte man hier die Bewässerung des Rasenplatzes hinverlegen.

Aber was macht Ihr, wenn die Kämmerei sagt, dass dafür kein Geld da ist?

Mathis: Am Ende entscheidet ja der Gemeinderat. Und von dem haben wir eigentlich nur positive Stimmen gehört.

Mika: Die CDU, SPD und Mitglieder der Grünen Liste waren vor Ort. Die haben uns ihre volle Unterstützung zugesagt.

Und doch: Wie realistisch ist der Bolzplatz angesichts der Haushaltslage?

Mika: Man muss unterscheiden zwischen der städtischen Finanzierung und dem Projekt an sich. Wir denken, dass das auch über Spenden geht.

Mathis: In Schriesheim gibt es sicher genug Firmen, die etwas spenden würden. Vielleicht gibt es ja auch Geld von der Hopp-Stiftung. Wenn man schon einen konkreten Ort hat, sieht das ganz gut aus.

Aber es gibt doch schon einen Bolzplatz, auch am Sportzentrum ...

Mika: Da spielen aber auch die Basketballer, und die kommen sich mit den Kickern ins Gehege. Oft sind die zur selben Zeit da, das kann auch Konflikte provozieren. Außerdem ist der bisherige Bolzplatz innerhalb des Sportzentrums. Die Idee ist aber, dass jeder auf den neuen Bolzplatz drauf darf, der vom Sportzentrum mit einem Zaun abgetrennt ist und vom Rindweg betreten wird.

Mathis: Der Bedarf für einen eigenen Bolzplatz ist ganz klar da, ich werde auch oft darauf angesprochen. Zumal man ja auf den Kinderspielplätzen nicht bolzen darf.

Angenommen, Ihr bekommt den neuen Bolzplatz, wer soll ihn in Schuss halten?

Mika: Das könnte der Hausmeister vom Sportzentrum aus erledigen – vorausgesetzt, der Bolzplatz hat ein Tor im Zaun, damit der zum Mähen hineinfahren kann. Uns wurde gesagt, das sei gut möglich.

Wie wollt Ihr nun weiter vorgehen?

Mika: Wichtig ist, dass jetzt mal, noch in dieser Amtszeit des Jugendgemeinderats, der Startschuss fällt. Wenn der genaue Ort feststeht, könnte alles noch dieses Jahr klappen, auch wenn das sehr optimistisch klingt. Und auch, wenn ich nicht mehr im nächsten Jugendgemeinderat sitze sollte, werde ich das Projekt weiter unterstützen.

Und was habt Ihr bis zum Ende Eurer Amtszeit noch vor?

Mika: Die monatlichen Events, mehr Präsenz an den Schulen – zum Beispiel durch Jugendbriefkästen, wo man seine Ideen reinwerfen kann –, die Wahl vorbereiten und das Projekt "Wanderwege".

Mathis: Das ist wie das "Actionbound"-Spiel bei der evangelischen Kirchengemeinde zu Weihnachten während der Pandemie. In den Jugendgemeinderat eingebracht hat es übrigens Pauline Jäschke. Die Idee ist, dass eher kleinere Kinder zusammen mit ihren Eltern die Schriesheimer Natur per App erkunden, indem sie verschiedene Aufgaben lösen. Das werde ich zusammen mit Constantin Maylein in der nächsten Gemeinderatssitzung in Form eines Videos vorstellen.

Wir haben uns schon Wege überlegt, etwa einen Kilometer lang so unterhalb von der Strahlenburg. Und wir haben auch schon die Fragen fürs Spiel. Die dürfen nicht zu langweilig oder zu schwierig sein. Wir haben da schon einen professionellen Anspruch.

Wie ist denn bisher die Resonanz auf Eure Arbeit?

Mika: Gerade die Events werden registriert. Ein Beweis dafür ist, dass viele Leute – oft mehr als gedacht – kommen. Wir erhalten dafür auch viel gute Resonanz. Allerdings erreichen wir eher die Jüngeren.

Mathis: Deswegen sind ja auch neue Ideen für Jugendliche so wichtig. Das Interesse an gemeinschaftlichen Aktionen sinkt ja auch eher mit dem Alter.

Mika: So ist auch die Idee mit dem Fußball-Event entstanden. Da haben mich einfach mal Freunde gefragt, ob das möglich ist.

Und wie macht Ihr dafür Werbung?

Mathis: Auf unserer Homepage, per Instagram, Zeitung und Mitteilungsblatt. Bei größeren Events auch über Plakate.

Mika: Wir haben schon 300 Follower bei Instagram, da schreiben uns viele Leute an.

Mathis: Der Jugendgemeinderat wird also immer präsenter in der Öffentlichkeit, hat aber auch in dieser Richtung noch viel vor.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung