28.04.2024

Der stille Protest des Siegmar Reiß im roten SPD-T-Shirt

Er stellte sich vor den AfD-Stand auf dem Wochenmarkt. Die Rechtspopulisten wollen zur Kommunalwahl mit sechs Kandidaten antreten.

Schriesheim. (hö) Es ist nicht jedem recht, wenn die AfD am Wochenmarkt einen Info-Stand aufbaut – wie am Samstag. Siegmar Reiß auch nicht – und er griff zu einem so spontanen wie ungewöhnlichen Protestmittel: Der Sozialdemokrat – der ehemalige EU-Beamte wohnt erst seit einem knappen Jahr in Schriesheim, ist seit Februar Beisitzer im Ortsvereinsvorstand und kandidiert auf Platz 18 bei der Gemeinderatswahl – ärgerte sich über die Präsenz der Rechtspopulisten, und stellte sich mit einem knallroten SPD-T-Shirt demonstrativ vor deren Stand. Zuvor hatten die AfDler Fahnen und einen Stehtisch aus einem blauen Kleinlaster mit der Aufschrift "AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag" ausluden – weil unter ihnen auch der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Heidelberg, Malte Kaufmann aus Mühlhausen, war.

Damit war er nicht allein: Ein Mann, der gerade mit einem Kinderwagen aus der evangelischen Kirche kam, schleuderte den gut zehn AfD-Aktivisten ein "Pfui" entgegen. Reiß erklärte gegenüber der RNZ: "Ich entschloss mich kurzerhand ebenfalls, meine Meinung zur AfD kundzutun, allerdings nicht lautstark, sondern etwas subtiler Flagge zu zeigen. Ich bin nach Hause und habe mich umgezogen, dann zurück auf den Markt und habe mich mit meinem SPD-Shirt ,SPD – 161 Jahre gegen Faschismus’ und ,Nie wieder ist jetzt – Aufstehen für unsere Demokratie’ vor den AfD-Stand gestellt." Das sei "von vielen Schriesheimern wohlwollend aufgenommen" worden, wie der 60-Jährige berichtet.

Die AfDler versuchten, mit ihm ins Gespräch zu kommen, aber er wollte nicht die Partei mit einer ernsthaften Diskussion aufwerten. Und als einer von ihnen einem Freund von Reiß auch noch den Arm über die Schulter legen wollte, gab der nur zurück: "Von Ihnen will ich nicht angefasst werden." Reiß hatte den Eindruck, dass dieses energische Auftreten den Rechtspopulisten einigermaßen imponiert hat. Jedenfalls sollen "keine zehn Leute Prospekte von dem Stand mitgenommen" haben. Spontan habe ein anderer Schriesheimer noch ein Protestplakat gebastelt; aber als der dann wieder auf den Wochenmarkt kam, hatte die AfD schon ihren Stand wieder abgebaut. Und: Alles blieb friedlich – auch weil die Polizei aus gebührender Entfernung die Situation im Blick hatte.

Zeitgleich war auch die CDU auf dem Wochenmarkt präsent, war aber von der AfD durch den Gemüsestand getrennt. Ortsvereinsvorsitzende Christiane Haase, die eigentlich im Hasen-Kostüm für die Osteraktion der Einzelhändlerinitiative "Schriesheim neu entdecken" unterwegs war, kam dann doch mit den AfD-Vertretern ins Gespräch – vor allem mit Peter Schmitt, der neuerdings dem Ortsverein dieser Partei vorsteht und auch für die Gemeinderatswahl kandieren wird. Wie Haase berichtete, habe Schmidt ihr erklärt, dass er insgesamt sechs Kandidaten für die Liste zusammenbekommen habe; er selbst sei Spitzenkandidat. Der bisherige AfD-Stadtrat Thomas Kröber hingegen sei nicht mehr auf der Liste vertreten.

Sophie Koch, die auf der CDU-Liste auf Platz 6 kandidiert, war die ganze Zeit über auf dem Wochenmarkt-Stand ihrer Partei. Auch sie empfand die Situation als "friedlich" – auch wenn sie von einem AfDler "kurz angepöbelt" wurde. Den Protest von Reiß fand sie "in Ordnung", denn: "Es ist wichtig zu zeigen, dass diese Partei hier nicht erwünscht ist."

Offenbar plant die AfD am nächsten Samstag wieder einen Info-Stand auf dem Wochenmarkt. Nach RNZ-Informationen wollen SPD und Grüne Liste dagegen dann "richtig" demonstrieren.

Copyright (c) rnz-online
Autor: Rhein-Neckar-Zeitung