Am Freitagabend wurden im Zehntkeller die neuen Weinhoheiten vorgestellt, aber auch die scheidenden gebührend gefeiert.
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Die Vorstellung der neuen Weinhoheiten Anna Scheid, Emélie Ewald und Maren Gadzalli – meist exakt eine Woche bis zu ihrer Krönung – ist ein bisschen der inoffizielle Auftakt des Mathaisemarkts. Da versammeln sich im Zehntkeller die Honoratioren der Stadt, einige Gäste von außerhalb, die Rathausmitarbeiter – sie organisieren den Mathaisemarkt neben ihren ganzen Aufgaben –, vor allem aber auch die Familien der kommenden wie der scheidenden Weinhoheiten. Und eine Art "Bütt" gibt es noch obendrein. Und wenn man den Besuch der Weinhoheiten-Vorstellung als Gradmesser für den Mathaisemarkt nimmt, steht dieses Jahr vielleicht ein Rekord ins Haus.
Die Einstimmung: Bürgermeister Christoph Oeldorf versprach einen "Abend voller Emotionen, Vorfreude, Wehmut – und auch Aufgeregtsein." Allerdings waren die kommenden wie auch die scheidenden Weinhoheiten absolut professionell: eloquent, selbstsicher und sehr sympathisch. Er dankte dem bisherigen Dreigestirn, es habe "alles gegeben". Auch der Erste Vorstand der Winzergenossenschaft (WG) Karlheinz Spieß fand, sie hätten "alle Aufgaben hervorragend gemeistert". Dabei seien sie "von null auf hundert ins kalte Wasser geworfen worden", denn Königin Miriam Knapp war zuvor noch keine Prinzessin gewesen. Zum ersten Mal bei der Vorstellung war der neue Festzeltwirt Stephan Finke. Der Frankenthaler sagte: "In einer Woche geht es los. Das Zelt steht schon, drinnen ist noch was zu tun. Die Erwartungen an mich sind hoch, aber ich verspreche: Mein Team und ich werden unser Bestes geben." Er freue sich sehr, mit Karl Forschner, der wie im letzten Jahr fürs Essen sorgt, "einen erfahrenen Mann an meiner Seite zu haben". Und er schloss mit: "Ich wünsche uns allen, und vor allem mir, einen ersten schönen Mathaisemarkt." Oeldorf nahm das gern auf: "Wir planen ja langfristig: Auf die nächsten Jahre!"
Die neuen Weinhoheiten: "Seit Dezember wissen wir es offiziell, jetzt ist das Geheimnis gelüftet", so die baldige Königin Anna Scheid, die 2022/23 bereits Prinzessin war: "Wir freuen uns auf die Aufgabe, Schriesheim und seinen Wein zu repräsentieren. Das ist uns eine Ehre!" Man werde natürlich auch manchmal im neuen Amt "unter Strom stehen und aufgeregt sein", aber doch freue man sich, "tolle Menschen kennenzulernen. Zwei tolle habe ich schon kennengelernt: meine Prinzessinnen Emélie und Maren". Und endlich mal brachte sie einen bisher noch nicht gehörten Trinkspruch aus – aus der Feder von Clemens Brentano, einem Schriftsteller der Romantik: "Wo Reben sich ranken mit innigem Trieb, so meine Gedanken: Habt alles hier lieb." Verkehrsvereinsvorsitzender Joachim Müller stattete die "Neuen" mit einer Silberkette samt Weintraube aus, auch Oeldorf war nicht mit leeren Händen gekommen: Er hatte einen "Dienstausweis" dabei, also einen Magnet-Aufkleber für das Auto der neuen Weinhoheiten.
Der erste Auftritt der "Neuen" war absolut gekonnt, gerade Anna hat in ihrem Prinzessinnenjahr sehr an Bühnenpräsenz gewonnen. Noch lange mischten sie sich nach dem Ende der Zeremonie unters Publikum – und überzeugten durch ihre offene Art. Mit ihren Vorgängerinnen verstehen sie sich bestens, daher gab Königin Miriam Knapp ihnen mit auf den Weg: "Liebe Anna, liebe Emélie, liebe Maren, Euch steht ein tolles und aufregendes Jahr bevor. Genießt jeden Moment. Das Jahr geht schneller vorbei, als Ihr schauen könnt!"
Die scheidenden Weinhoheiten: So voller Wehmut waren die drei nicht: "Heute gehen wir noch mit Krone und Kelch nach Hause, nächste Woche nicht mehr", meinte Königin Miriam gut gelaunt. Wobei das Dreigestirn ein ganz besonderes Geschenk von seiner Amtszeit hat: "eine tolle Freundschaft", so Knapp in ihrer Rede. Sie, Sophie Weil und Ylva Neuert kannten sich vorher gar nicht, haben sich aber "vom ersten Treffen an mega-gut verstanden". Die Freundschaft wird weiter halten – und sie haben sich zusammen für die RNZ-Riesenrad-Weinprobe eine Gondel gemietet. Daher auch der Trinkspruch am Ende ihrer Rede: "Das soll am Wein belobt sein: Er trinkt sich am besten zu drein."
Das Jahr als Repräsentanten des Schriesheimer Weins war "viel Stress, aber auch viel Spaß", so Miriam, Sophie berichtet von "oft mehreren Terminen am Tag, alles in allem über hundert". Auch wenn für sie der Mathaisemarkt der Höhepunkt ihrer Amtszeit war, waren sie doch vor allem die "Buga-Hoheiten". Daran erinnerten sowohl Oeldorf wie auch WG-Geschäftsführer Manuel Bretschi. Der attestierte ihnen "extrem große Leidenschaft", das Trio sei "sympathisch, bodenständig und extrem wissbegierig" gewesen. Und Oeldorf sagte ihnen nach, sie hätten "im positivsten Sinne das Amt auf ihre ganz eigene Art" ausgefüllt: "Die drei haben einen Super-Job gemacht und waren sehr stressresistent. Auch zwischenmenschlich hat es sehr gut funktioniert. Nicht ohne Grund stand auf meiner zweiten Schärpe beim Festzug ,Papa der Weinhoheiten’."
Werden Ylva und Sophie sich auch mal als Königin bewerben? Ylva meint: "Ich kann es mir vorstellen, wenn ich dazu Zeit habe." Bei Sophie ist das eher unwahrscheinlich: "Als Königin musst Du immer präsent sein. Das ist nur schwer mit dem Studium zu vereinbaren."
Die Gäste: Aus Hirschberg war eine Abordnung von Gemeinderäten im Zehntkeller, ein treuer Gast ist vor allem Dossenheims Bürgermeister David Faulhaber. Zumal am kommenden Freitag, 1. März, nicht nur der Mathaisemarkt startet, sondern auch – mal wieder – am Verbrüderungsschild gefeiert wird (13 Uhr, im Dossenheimer Weg an der Gemarkungsgrenze). Vor genau 35 Jahren besiegelten Peter Riehl und sein Dossenheimer Amtskollege Peter Denger die inoffizielle Partnerschaft der beiden Kommunen. Faulhaber mag die Veranstaltung im Zehntkeller: "Das ist eine Super-Einstimmung auf den Mathaisemarkt. Ich freue mich auf die tollen Tage."
Die Bütt: Traditionell stellt Winzer und Gastwirt Wilhelm Müller den ersten Wein, dieses Mal "einen jungen, trocken-leichten Müller-Thurgau", vor. Und als Urgestein darf er auch zu einer Art "Bütt" im sonst nicht so karnevalistischen Schriesheim ausholen. Im letzten Jahr hatte er noch keck gefordert, auch mal Männer zu Weinhoheiten zu machen, doch in diesem Jahr blieben in seiner Rede etwaige Revolutionen aus. Stattdessen berichtete er von einem Krankenhausaufenthalt, bei dem ihn der Arzt untersuchte. Auf die Frage, ob er ein Laster habe, antwortete Müller verschmitzt: "Nein, nur einen Weinbergschlepper. Ich trinke nicht, ich rauche nicht, ich bin verheiratet. Ich habe nur einen kleinen Fehler: Ich schwindele ein bisschen." Die Lüge, man ahnt es schon, war die Sache mit dem Trinken. Die Liebe zum Wein sei generell bei den Schriesheimern "genetisch bedingt" – ganz egal, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – Müller: "Ist der überhaupt gesund?" – als alkoholisches Maximum empfehle. Bei ihm ging es schon im zarten Alter von sieben Jahren los, als er vom Weinfass im Keller "naschte". Und man lernte von ihm den alten Schriesheimer Ausdruck "Woiknoche", also einer, dem der Wein im Blut liegt – wie eben Müller. An Oeldorf reichte er die Hoffnung weiter: "Dieses Mal bitte nicht so viel Aufregung beim Festzug!" Stimmt, eine Bombendrohung und eine Attacke auf den Bürgermeisterstellvertreter Michael Mittelstädt braucht wirklich kein Mensch.
Ein Jubiläum: Erika und Helmut Hölzel, sonst die guten Seelen" vom MGV Eintracht, schmeißen seit 25 Jahren die Bar, denn damals wurde ihre Tochter Michaela an diesem Ort als Weinkönigin vorgestellt. "Seitdem helfen wir", sagt Erika Hölzel, die nicht nur hinter dem Tresen steht, sondern auch an den Tischen ausschenkt. Zum Dank hatte Bretschi tief in die Schatzkammer der WG gegriffen – und einen 1999er Spätburgunder als Geschenk herausgefischt.
Bei der Vorstellung der Weinhoheiten kredenzen die Winzer und die Winzergenossenschaft ihre besten Tropfen. Dabei wurden Traditionsweine wie Müller-Thurgau/Rivaner (dieselbe Rebsorte, aber unterschiedlich angebaut), aber auch den hierzulande seltenen Viognier vorgestellt. Das waren im Einzelnen:
- Winzergenossenschaft: Schriesheimer Weißburgunder-Sekt,
- Weingut Müller: 2023er Schriesheimer Müller-Thurgau trocken,
- Weingut Teutsch: 2022er Schriesheimer Staudenberg Rivaner trocken,
- Weingut Bielig: Schriesheimer Chardonnay trocken,
- Weingut Majer: Schriesheimer Viognier trocken,
- Weingut Merkel: 2022 Schriesheimer Sauvignac trocken,
- Weingut Kirchner: 2022 Schriesheimer Mergel Sauvignon blanc trocken.
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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung