02.05.2024

Stefan Schewes Kurzgeschichten in der "Zeit" veröffentlicht

Wie verschieden man sich an Weihnachten erinnert. Im Februar gibt es eine Lesung mit seiner Schwester Barbara, die ebenfalls schreibt.

Von Marion Gottlob

Schriesheim. Nur durch Zufall hat Stefan Schewe erfahren, dass seine Schwester Barbara genauso gern Geschichten schreibt wie er. Der 59-jährige Schriesheimer hat vor rund drei Jahren angefangen, literarische Aperçus zu verfassen. Nun hat er einen Fundus von rund 100 eigenen Geschichten, von denen die Wochenzeitung "Die Zeit" zwölf Texte veröffentlicht hat. Als er seiner Schwester Barbara eine seiner "Zeit"-Geschichten zumailte, sandte sie eine selbst geschriebene Geschichte zurück. Nun plant das Duo eine gemeinsame Lesung.

Der Vater von Stefan und Barbara war Melker in einem landwirtschaftlichen Betrieb in einem winzigen Dorf in Westfalen, die Mutter war Hausfrau. Das Ehepaar hatte sieben Jungen und drei Mädchen. Schewe sagt: "Ich war das jüngste Kind und Nesthäkchen. Zwischen dem ältesten Kind und mir lagen 19 Jahre."

Seine Schwester Barbara (65) war das siebte Kind, für das der Bundespräsident die Patenschaft übernahm. Stefans ältere Geschwister erlebten noch die Härte eines Lebens in der Landwirtschaft und mussten schon früh im Stall mithelfen. Schewe sagt: "Nach meiner Geburt waren meine Eltern milder geworden. Ich durfte meiner Mutter helfen."

Die älteren Geschwister mussten mit 14 Jahren die Schule verlassen und eine Lehre machen. So erlernte Barbara den Beruf der Arzthelferin. Nur Stefan Schewe durfte das Abitur machen. Anschließend entschied er sich für die Ausbildung zum Krankenpfleger. Er sagt: "Dieser Beruf bringt Hand, Verstand und Herz zusammen. Es braucht die Geschicklichkeit der Hand, um Verbände anzulegen, es braucht auch den Verstand für eine gute Logistik – und natürlich das Herz für die Patienten."

Später absolvierte er eine Fortbildung an der Heidelberger Schwesternschule zum Lehrer für Pflegeberufe. Unter anderem leitete er für die Dietmar-Hopp-Stiftung ein dreijähriges Fortbildungsprojekt für ehrenamtliche Sterbebegleiter. Am Heidelberger Bethanien-Agaplesion-Krankenhaus ist er auf der geschützten Station für Demenz-Kranke tätig. Er weiß: "Die Betroffenen brauchen eine Umgebung, in der sie sich heimelig fühlen." Auf der Demenz-Station hat Schewe so viel erlebt, dass er angefangen hat, Geschichten zu schreiben.

Seitdem hat der Autor sein thematisches Spektrum erweitert und auch Geschichten mit Bezug zu seiner eigenen Biografie verfasst. Hier kommt seine Schwester Barbara ins Spiel. Sie schreibt schon seit ihrer Jugend Geschichten. Sie erzählt: "Wir waren ja arm, aber reich an Phantasie. In der Schule war ich die Liebesbriefbeauftragte. Ich schrieb alles, was das Herz begehrt, für eine Aufwandsentschädigung von 20 bis 50 Pfennig."

Mit der Geburt der vier Kinder hat sie eine Pause eingelegt, aber jetzt schreibt sie wieder Kurzgeschichten. Wie ihr Bruder Stefan thematisiert sie ihre Kindheit. Nun wird es spannend, denn die Geschwister haben ganz unterschiedliche Erinnerungen. Barbara beschreibt Weihnachten so: Der Vater hatte zum Fest einen besonders geraden Baum im Wald gefällt. Nun nahm er die kleine Barbara mit in den Stall, wo er den 40 Kühen Futter gab.

Dann holte er seine Mundharmonika hervor und spielte "Stille Nacht". Eine Träne kullerte über seine Wange. Er erklärte seiner Tochter: "Das ist Weihnachten – ein bisschen mehr Zeit, Musik, die zu Herzen geht, und eine extra Portion Heu für die Kühe." Stefan dagegen beschreibt einen krummen Tannenbaum, über den die Eltern in Streit geraten. Stefan Schewe erklärt: "Wir sehen unsere Eltern sehr unterschiedlich." Aber "sein" Fest fand auch Jahre später statt.

Stefan Schewe nutzt die neuen Geschichten, um sich mit seiner Depression zu "outen": "Ich leide seit fast 40 Jahren daran und möchte anderen Mut machen, sich mit der Krankheit zu zeigen." Unter dem Titel "Du bist" hat er geschrieben: "Während eines therapeutischen Aufenthalts in Würzburg stelle ich mir die wiederkehrende Frage: Wie kann ich den Ansprüchen der anderen gerecht werden – und mir selbst?

In meiner Freizeit schlendere ich durch Würzburg und finde Halt in der Augustinerkirche. Im Eingangsportal stehen fünf Worte des Heiligen Augustinus, die meinen Fragen Antwort geben: ,Ich will, dass du bist.’"

Info: Die Lesung "Mitten ins Herz – wenn Bruder und Schwester Geschichten erzählen" mit Stefan Schewe und Barbara Schewe-Balzer findet am Freitag, 23. Februar, um 20 Uhr im Begegnungszentrum "Mittendrin", Kirchstraße 4, statt. Die Geschichten werden begleitet von Florian Mersi (Cello) und Hartmut Röger (Gitarre).

Copyright (c) rnz-online
Autor: Rhein-Neckar-Zeitung