"Da wird man ja arm": Auch Landwirte in der Region bekommen die Auswirkungen der Krise zu spüren.
Bergstraße/Neckar. Die Energiepreise steigen, die Kaufkraft sinkt. Auch wenn es in den vergangenen Jahren eher das Klima war, mit dem die Obstbaubetriebe zu Kämpfen hatten, treffen auch sie die gestiegenen Energiekosten.
Kühlhäuser müssen mit Strom betrieben werden, Traktoren und Bewässerungsanlagen laufen nicht ohne Diesel. Wie sich die gestiegenen Preise auf die Betriebe auswirken, das fragte die RNZ die Produzenten an Bergstraße und Neckar.
Schriesheim. (max) Hinsichtlich der Stromversorgung plante der Obsthof von Johannes Jäck vorausschauend. Schon seit rund zehn Jahren hat der Betrieb eine Fotovoltaikanlage mit Eigenstromverbrauch auf dem Dach. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Betrieb just im vergangenen Jahr seine Kühlhäuser sanierte, dichtere Türen anbrachte und neue Aggregate einbaute, die weniger Strom verbrauchen.
"Deckelbar ist der Verbrauch aber durch die eigene Solaranlage nicht", erklärte Jäck. Das größte Problem für seinen Betrieb sieht er in der durch die Krise gesunkenen Kaufkraft, die sich auch im Hofladen der Familie bemerkbar macht: "Alle Leute sparen, und das trifft uns ganz schön hart". Im Sommer habe es sehr umsatzschwache Tage gegeben, wie es sie in den Vorjahren nicht gab, sagt er. Diese Tendenz habe erst in diesem Jahr spürbar eingesetzt. Jäck mutmaßt, dass viele Kunden ihr Geld zusammenhalten müssen und der Urlaub in der Abwägung den Vorzug vor dem regionalen Obst erhalten habe.
Kühlhäuser braucht Karlheinz Spieß, der keine Äpfel produziert, zwar nicht, aber Kühltransporter für Zwetschgen und Süßkirschen. Vor allem seine Kosten für Diesel seien daher gestiegen: "Da wird man ja arm", sagte er.
Auch Spieß bemerkt die nachlassende Kaufkraft, was sich bei ihm vor allem in den Preisen niederschlägt, die er für seine Waren bei Großhändlern erzielen kann: "Die Preise für Kirschen waren so niedrig wie seit Jahren nicht."
Ihn ärgert dabei auch das Konsumverhalten der Menschen. Nahrungsmittel sollten seiner Meinung nach einen höheren Stellenwert haben: "Alle sprechen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz, und dann werden die Preise bei regionalen Erzeugern gedrückt und Kirschen von weit weg importiert. Das ergibt keinen Sinn."
Hirschberg. (ans) Auch hier trifft die Energiekrise die Obstbauern, weil Stromfresser zum Einsatz kommen. "Die Strompreise sind richtig dramatisch", meinte Obstbaumeister Werner Volk. "Die sind jetzt schon fast nicht mehr zu tragen."
Innerhalb eines Jahres hat er bereits eine Verdoppelung erlebt, nun läuft sein Stromvertrag zum Ende des Jahres aus. Was dann passiert, weiß er wie so viele andere nicht. Er hat von vier- bis fünffachen Erhöhungen gehört. Seine größten Stromfresser sind die fünf Kühlhäuser, die Brunnen, die Apfelsortiermaschine, im Hofladen die Kühltheke und die Kühlschränke.
Auch seine Stapler laufen zu 90 Prozent mit Strom und zu zehn Prozent mit Gas. "Das läppert sich schon", fand der Obstbauer und Schnapsbrenner.
Volk hat sich schon vor Längerem eine Photovoltaik (PV)-Anlage mit 35 Kilowatt-Peak (kWp) für den Eigenbedarf installieren lassen. Jetzt hat er eine weitere für eigene Zwecke mit 185 kWp bestellt, die noch dieses Jahr geliefert und 2023 in Betrieb gehen wird. "Das wird eine entspannte Sache", freute sich Volk.
Aber es gibt auch andere Bereiche, die einem schon Sorgenfalten bescheren können. So werden seine landwirtschaftlichen Fahrzeuge mit Diesel betrieben. "Ich habe dieses Jahr Mehrkosten von 9000 Euro für Diesel", erzählte Volk.
Und das ist nicht das einzige Problem: Seit zwei Tagen hängt der Schnapsbrenner dauernd am Telefon, um Glasflaschen für das Weihnachtsgeschäft zu organisieren. Preisverhandlungen seien schier nicht möglich. Man ist froh, wenn man überhaupt welche bekommt.
Zwei Drittel sei gar nicht erst lieferbar. Eventuell werde im November wieder etwas produziert. Volk hat auch versucht, sein 0,2-Liter-Tannenbaum-Fläschen wiederzubekommen, das im Einkauf früher 1,20 Euro gekostet hat. Erst wurde ein Preis von vier Euro aufgerufen, jetzt ist es gar nicht mehr erhältlich. "Das ist der Wahnsinn, was da abgeht", fand Volk.
Jammern will er aber auch nicht, denn andere Betriebe plagen Existenzsorgen. Besonders hart sei es für diejenigen, die ausschließlich in den Lebensmittelhandel verkaufen. Denn da würden mitunter Preise abgerufen, dass man nicht mehr kostendeckend Äpfel produzieren könnte. An der Bergstraße sei dies aber nicht das große Problem, denn mit der Apfelernte sei man hier viel früher dran als in anderen Regionen Deutschlands und könne daher "ordentliche Preise" bekommen.
Doch die Mehrkosten muss Volk in irgendeiner Weise bei seinem Verkauf ausgleichen, weshalb er die Preise "moderat um zehn Prozent erhöht" habe. Das bedeutet beim Kilo Äpfel von 1,80 Euro auf zwei Euro. Die Preise für Saft und Schnaps hat er aber nicht erhöht und wird das auch vor Weihnachten nicht mehr machen, um seinen Kunden nicht noch mehr zuzumuten. Aber die höheren Ausgaben für Flaschen und auch für Etiketten lassen ihm keine andere Wahl, auch hier im neuen Jahr etwas zu erhöhen.
Weinheim. (web) "Ich kann das Kühlhaus nicht abschalten, wir wollen ja das ganze Jahr über Obst verkaufen, sonst wären wir kein Direktvermarkter", sagte Sven Stein, der seit 14 Jahren Pächter des Obsthofes Schulz ist.
Auch der Automaten-Verkauf von Obst und anderen Lebensmitteln, den er gemeinsam mit zwei anderen Anbietern am Brunnweg betreibt, ist auf Energie angewiesen. Stein hat schon im Sommer versucht, Strom und Diesel zu sparen. "Wegen der Dürre mussten wir seltener mähen als sonst, und wo das nur aus ästhetischen Gründen nötig war, haben wir es auch mal bleiben lassen", nannte er ein Beispiel.
Auch das Kühlhaus werde so effizient wie möglich betrieben. An der Kühlung des Obstes zu sparen, heiße jedoch letztlich, auch an dessen Qualität zu sparen. Sprich: an der falschen Stelle.
Die (Stamm-)Kundschaft halte dem Direktverkauf im Brunnweg jedoch die Treue. "Die Leute kaufen etwas bedachter ein, aber wir haben kein Problem mit einem Mangel an Nachfrage." Der Direktverkauf laufe bis heute besser als vor den Lockdownzeiten im letzten und vorletzten Jahr, als viele Verbraucher ihre Liebe zu Erzeugern aus der Region entdeckten.
Das gelte nicht nur für den Laden, sondern auch fürs Automatenhaus. "Das haben wir eingerichtet, um am Wochenende etwas Ruhe zu haben", so Stein. Das klappe aber nur bedingt, denn die Kundschaft kommt – und die Automaten füllen sich ja nicht von selbst.
Nicht ganz so rosig sieht es auf dem Großmarkt aus, den Stein ebenfalls beliefert. "Hier hat der Absatz erheblich nachgelassen." Viel mehr könne er als Erzeuger nicht dazu sagen. Ein möglicher Grund sei eine verhaltenere Nachfrage bei den Endverbrauchern; ein anderer Grund könnte aber auch sein, dass Großmärkte derzeit günstiges Obst aus dem Ausland beziehen.
Ladenburg. (stu) Existenzsorgen haben die beiden Obstbauexperten Hanspeter und Louis Schuhmann vom Obsthof Schuhmann in Ladenburg trotz der steigenden Energiekosten keine. Zwar schmerzen die steigenden Energiekosten auch den vor 70 Jahren von Hans Schuhmann gegründeten Familienbetrieb.
Die PV-Anlage auf dem Dach der Lagerhalle hilft aber sehr dabei, die Stromkosten nicht explodieren zu lassen. Weitere PV-Module sollen im nächsten Jahr installiert werden, so dass der Strom für den Betrieb und das Wohnhaus mit einer Wärmepumpe kein "Kostenfresser" mehr ist. Weil die Produktionshallen und der Verkaufsbereich nicht mit Öl oder Gas beheizt werden, entfällt auch dieser Kostenfaktor.
Daher heißt es an kälteren Tag einen dicken Pullover anzuziehen, so wie das wohl zukünftig viele Menschen machen werden, meinte Juniorchef Louis Schuhmann.
Der 27-jährige Obstbaumeister berichtete auch über einen energiesparenden Vertriebsweg. Die 50 verschiedenen Apfelsorten, die auf dem Gelände des Obsthofs produziert werden, müssen nämlich im Winter nicht eingelagert werden, was ebenfalls Kosten verursachen würde.
"Unsere Jahresproduktion ist am Ende der Saison in aller Regel ausverkauft. Unsere treuen Kunden lagern die Großgebinde bei sich zu Hause ein", meinte Schuhmann. Meist sind es die Zehn-Kilogramm-Kisten. Erfreulich für die Kundschaft ist auch, dass es auf dem Obsthof in dieser Saison keine Preiserhöhungen gab. "In der Landwirtschaft sind Preiserhöhungen bei der Direktvermarktung nur schwer umsetzbar", meinte Louis Schuhmann. Die Kundschaft aus dem gesamten Rhein-Neckar-Kreis müsse nicht zusätzlich belastet werden.
Wegen der weitsichtigen Ausrichtung des Obsthofes blickt Louis Schuhmann optimistisch in die Zukunft. Er ist zuversichtlich, dass der von seinem Opa gegründete Obsthof vor den Toren Ladenburgs noch lange bestehen wird. "Natürlich darf ein Obstbaubetrieb nicht stehen bleiben, und man sollte sich stets hinterfragen, wie die Qualitäten verbessert und die Kosten reduziert werden können", meinte der Unternehmer.
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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung