04.05.2024

Langjähriger Bürgermeister und Ehrenbürger Peter Riehl ist tot

Peter Riehl in seinem Element
Peter Riehl in seinem Element
Als Zeichen der Trauer wurde gestern, nachdem der Tod Peter Riehls bekannt geworden war, die Schriesheimer Fahne am Rathaus auf halbmast gesetzt. Foto: Dorn
Als Zeichen der Trauer wurde gestern, nachdem der Tod Peter Riehls bekannt geworden war, die Schriesheimer Fahne am Rathaus auf halbmast gesetzt. Foto: Dorn

Ein Leben für Schriesheim! Er starb am Donnerstag im Alter von 81 Jahren.

Ein Nachruf von Micha Hörnle

Schriesheim. Derjenige, den man in Schriesheim meist nur "Riehle Peter" nannte, ist tot. Der Bürgermeister mit der längsten Amtszeit der jüngeren Schriesheimer Geschichte – stolze 32 Jahre – und Ehrenbürger starb am gestrigen Donnerstagnachmittag im Alter von 81 Jahren in einer Heidelberger Klinik. Dass es ihm in den letzten Jahren – im Grunde seit seinem Sturz beim "Schriesheimer Abend" des Mathaisemarkts am 13. März 1992 – nicht mehr gut ging, war stadtbekannt, allerdings verschlechterte sich sein Gesundheitszustand in den letzten beiden Jahren zusehends, sodass er seinen 80. Geburtstag im letzten Jahr nicht öffentlich feiern konnte und wollte.

Danach begann eine weitere Phase neuer Leiden und Krankheiten, und so sagte Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzender Bernd Hegmann, der sich um Riehl in den letzten Monaten viel gekümmert hatte, auf RNZ-Anfrage: "Sein Weg wurde in der letzten Zeit immer schwieriger. Er hat ihn zwar mit großer Geduld ertragen, aber der Tod war für ihn eine Erlösung."

Mit Riehls Amtszeit von 1974 bis 2006 sind viele wegweisende Entscheidungen der Stadtgeschichte verbunden: vor allem die Integration der beiden neuen Ortsteile Altenbach und Ursenbach – die Eingemeindung war allerdings schon 1972 und 1973 –, die Altstadtsanierung, neue kulturelle Einrichtungen wie die Musikschule, die Volkshochschule oder das Théo-Kerg-Museum, zwei Neubaugebiete, der Ausbau der Infrastruktur (bei Wasser und Abwasser, aber auch im Schulzentrum oder im Gewerbegebiet), vor allem aber der neue Tunnel.

Und nicht zuletzt erhielt Schriesheim durch die gewinnende und joviale Art des Langzeitbürgermeisters eine überregionale Ausstrahlung. Erst unter ihm wurde der Mathaisemarkt zu dem großen Fest an der Bergstraße mit einem derart ambitioniertem (und auf ihn zugeschnittenen) Programm, an das man sich heute wieder wehmütig erinnert.

Peter Riehl wurde am 20. Mai 1942 als einziges Kind von Hanna und Theodor Riehl geboren. Sein Vater war damals an der Front und kam später, bis 1949, in französische Kriegsgefangenschaft. Die in der Nachkriegszeit heftige Debatte um die Verstrickung etlicher Schriesheimer in die NS-Herrschaft betraf auch die Familie: Theodor Riehl war ein enger Freund des NSDAP-Ortsgruppenleiters und späteren Bürgermeisters Fritz Urban und wurde von diesem 1935 als Ratsschreiber – heute würde man Hauptamtsleiter sagen – eingestellt.

Alle Bemühungen, nach 1945 wieder ins alte Amt zu kommen, wurden vom Gemeinderat vereitelt. Stattdessen wurde Theodor Riehl 1954 im Rathaus als Angestellter (und nicht etwa als Beamter) zuständig für die Wohnungszuteilung an Flüchtlinge. Zu dieser Zeit war seitens des Landes die erneute Wahl Urbans als Bürgermeister vereitelt worden.

Konstantin Groß, der 2016 die Riehl-Biografie "Ein Leben für Schriesheim" geschrieben hatte, schrieb dazu: "Der langjährige Kampf um die Wiedereinstellung mit dem Teilaspekt Urban-Wahl hat das politische Bewusstsein des am Ende dieses Vorgangs (1954) zwölfjährigen Peter Riehl entscheidend geprägt."

In seiner Jugend war er begeisterter Sänger, zunächst beim GV Liederkranz, später vor allem im "katholischen" Lyra-Quartett (als Evangelischer!), noch vor dem Wehrdienst 1963/64 – der Bundeswehr sollte er sein ganzes Leben lang verbunden bleiben – begann er eine Verwaltungsausbildung auf dem Heddesheimer Rathaus unter dem legendären Bürgermeister Fritz Kessler, wo er dann 1968 Ratsschreiber wurde – "Erfahrungen, die Riehl für seine künftigen Jahre als Bürgermeister in Schriesheim von unschätzbarem Wert sein sollten", wie Groß schrieb.

Im Jahr zuvor hatte er Evelyn Goss geheiratet, er hatte sie 1965 beim Liederkranz Fastnachtsball in der "Rose" kennengelernt. 1971 zog er in das Haus seiner Schwiegereltern in die Zehntgrafenstraße, für Peter Riehl, dessen Ehe kinderlos blieb, war seine Frau Evelyn und deren Mutter Nelly seither "meine kleine Familie". Vielleicht deswegen hatte Riehl eine besondere Nähe zu Kindern, wenn auch weniger zu den rebellischen Jugendlichen der 1970er-Jahre.

Auch wenn Riehl sich laut seinen Angaben bereits seit Ende der 1960er-Jahre mit dem Gedanken getragen hatte, Bürgermeister zu werden, kam seine Stunde erst im Herbst 1973, als Wilhelm Heeger überraschend im Gemeinderat verkündete, seine Amtszeit nach 20 Jahren nicht ganz auszuschöpfen. Riehl war am Morgen dieser Sitzung der erste Bewerber, protegiert von seinem lebenslangen Mentor Peter Hartmann, dem späteren Ehrenbürger. Riehls erster Wahlkampf war nicht nur hart, sondern die Stadt zerfiel auch in zwei Lager, das "rechte" und das "linke", am Ende triumphierte Riehl, getragen von den Freien Wählern und der CDU, mit knapp 60 Prozent im ersten Wahlgang, der Konkurrent der SPD, Franz-Joachim Barth aus Karlsruhe, erhielt fast 40 Prozent. Schon damals hatte Riehl eine seiner Hochburgen im frisch eingemeindeten Altenbach. Dass Riehl durchaus die Auseinandersetzung nicht scheute, zeigt der Kampf ums Jugendzentrum im damaligen "Alten Rathaus", das 1978 zugunsten der heutigen Volksbank abgerissen wurde: Entschlossen setzte er die Jugendlichen – darunter seinen späteren Nachfolger Hansjörg Höfer – vor die Tür und trieb den Verkauf des Grundstücks voran. Diese "hemdsärmelige", aber meist durch Gemeinderatsmehrheiten abgesegnete Art der schnellen Lösung war wohl die Handschrift seiner 32 Jahre im Amt – was wiederum die "deutliche Frontstellung" (Groß) der "Linken" gegen die "Rechten" in der Stadt begründete.

Bei der Bürgermeisterwahl 1981 verzichtete die SPD auf einen eigenen Kandidaten, wollte aber Riehl nicht unterstützen, gegen ihn kandidierte der Schriesheimer Wolfgang Hamann für die gerade frisch gegründete Grüne Liste: Der Amtsinhaber siegte mit 87 Prozent. Noch einfacher war seine zweite Wiederwahl 1989, denn da trat kein ernst zu nehmender Gegenkandidat an, lediglich der Dauerbewerber Werner Tereba und Michael Tamm, der zwar aus dem Grünen-Umfeld kam, aber nie Mitglied war: Riehl siegte mit fast 92 Prozent.

Kurz nach der Wahl zeichnete sich beim "Kampf um das Waldschwimmbad" (Groß) einer seiner schwersten Niederlagen ab: Da das Gesundheitsamt 1990 die Stadt vor die Wahl stellte, das Freibad entweder komplett zu sanieren oder zu schließen, votierte Riehl für Letzteres, hatte aber den Widerstand der Bürger unterschätzt: Im Oktober 1991 gründete sich die Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Waldschwimmbads", die IEWS, heute Schriesheims größter Verein.

Erst 1994 fand sich ein Kompromiss: Die Stadt bezahlte einen Teil der Sanierung, die IEWS sorgte für weitere Spenden und Eigenarbeit, 1995 wurde sie Betreiberin des Bads; in diesem Jahr wurde das Bad nach fünfjähriger Schließung wieder eröffnet. Zu dieser Zeit war Riehl, nicht nur aus Verbitterung über den harten Schwimmbadstreit, ein anderer geworden; vor allem hatte ihm sein Sturz im Festzelt 1992 nicht nur körperlich, sondern auch psychisch zugesetzt. Und offenbar rang er ernsthaft mit sich, noch einmal anzutreten – zumal auch das Verhältnis zu seiner Bastion, den Freien Wählern, nicht mehr ganz so einfach war. Er tat es doch – und siegte wieder: Am 30. November 1997 erhielt Riehl fast 68 Prozent – gegen vier Bewerber, darunter die Grüne-Liste-Stadträtin Gisela Reinhard, die auf 17 Prozent gekommen war. Die SPD hatte zwar Detlev Leissner ins Rennen geschickt, doch der kam nur auf sieben Prozent – und war bis dato der letzte Kandidat dieser Partei.

Die letzte Amtsperiode hatte, auch angesichts knapper Finanzen, nicht mehr den alten Glanz, es gab einige "Affären" (wie um die Madonnenberg-Hütte) und die persönliche Auseinandersetzung mit dem FDP-Stadtrat Bernhard Scharf, und doch erhielt die Stadt nach den Fensenbäumen mit "Nord" ihr zweites Neubaugebiet der Ära Riehl – und nicht zuletzt glückte der erneute Anlauf bei der Kuhberg-Rebflurbereinigung. Doch sein wahres Meisterstück sollte der Branich-Tunnel sein, den er trickreich in den Generalverkehrsplan des Landes brachte. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet sein Nachfolger Hansjörg Höfer von der Grünen Liste, die dem Projekt stets skeptisch gegenüberstand, konnte ihn am 18. Juni 2016 einweihen.

2005 war klar, dass Riehl kein fünftes Mal antreten würde, dieses Jahr stand ganz im Zeichen des Abschieds – sogar einen "Schriesheimer Abend" gab es noch einmal. Aus dem Wahlkampf hielt sich Riehl offiziell heraus, aber seine Sympathien galten wohl Peter Rosenberger (CDU), der schließlich – und auch unerwartet – gegen Höfer im zweiten Wahlgang verlor. Auch wenn er kurz darauf in Mannheim sagte: "Schriesheim hat einen Riesenfehler gemacht", hielt er sich danach an sein Gelübde, sich nicht mehr zur Kommunalpolitik zu äußern. Riehls offizieller Abschied aus dem Amt am 30. Januar 2006 in der Mehrzweckhalle war mit 1200 Gästen eher ein Volksfest – da war er schon seit fünf Tagen Ehrenbürger (übrigens mit den Stimmen der Grünen Liste). Und er strafte nebenbei alle Lügen, die glaubten, Riehl würde ohne Amt und Würden kein Jahr mehr überleben. Er hatte wohl seinen Frieden mit dem Lauf der Dinge gemacht: Im letzten Jahr, bei der Verabschiedung seines Nachfolgers Höfer, war er auch unter den Gästen in der Mehrzweckhalle.

Wie sehr die Schriesheimer an ihm hingen, zeigte sich jedes Mal, wenn er bei Festen auftauchte: Der größte Applaus war ihm stets gewiss – wie zuletzt vor knapp einem Jahr bei der Feier zum 50. Eingemeindungsjubiläum in Altenbach. Denn bei allen Kontroversen war jedem klar: Da lebte einer für seine Stadt – mit allen Ecken und Kanten.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung