06.05.2024

Das kleine Ursenbach feierte zwei Tage ganz groß

Ursenbach begeht das 50. Jubiläum seiner Eingemeindung mit einem Festakt. Die schlechte Busverbindung ist das drängendste Problem.

Von Micha Hörnle

Schriesheim-Ursenbach. Klein, aber fein – und vor allem familiär: So feierte der kleinste Stadtteil das 50. Jubiläum seiner Eingemeindung, sozusagen die Goldene Hochzeit mit Schriesheim, wie Ortsvorsteherin Inge Pfrang später beim Festakt sagte. Und gerade der war alles andere als steif: Da gab es die eine oder andere freundliche Spitze gegen die einwohnermäßig fast hundertmal größere Kernstadt, die fortan im Dorf nur noch "Ursenbach-West" genannt wird – doch dazu gleich mehr.

Vor allem hatten die Ursenbacher ein liebevolles, selbst gemachtes Programm – vom Theaterstück über eine Talkrunde – bis hin zu Auftritten des Sängerchors und der drei Tenöre auf die Beine gestellt. Aus Schriesheim waren neben den beiden Weinhoheiten (Königin Miriam Knapp und Prinzessin Sophie Weil) sowie die Jagdhornbläser – und natürlich Bürgermeister Christoph Oeldorf nebst vielen Stadträten gekommen –, aus Altenbach grüßte Kochlöffelkönigin Alicia Reinhard, aber auch Ortsvorsteher Herbert Kraus und viele Ortschaftsräte waren unter den Gästen.

Pfrang begrüßte besonders Waltraud Fath, die Witwe des Ehrenbürgers Helmut Fath, und erinnerte besonders an den verstorbenen Alt-Bürgermeister und Ehrenbürger Peter Riehl, den sie gerne beim Festakt begrüßt hätte – und der nun "leider nicht mehr berichten konnte, wie das Verhältnis von Schriesheim zu Ursenbach einmal war". Pfrang kennt noch die Zeit vor der Eingemeindung: Damals war "Ursenbach von der Landwirtschaft geprägt", man wuchs "in und mit der Natur" auf: "Langeweile kannten wir nicht." Und auch wenn es damals noch kein Internet und soziale Medien gab, bekam man "alle Infos bei der Milchsammelstelle – aktuell und nicht manipuliert". Schon vor der Eingemeindung mussten die Ursenbacher Kinder nach Schriesheim zur Schule gehen, die dann 1970 geschlossen wurde – zumal immer mehr aus dem Dorf "ihren Lebensunterhalt im Tal verdienten". Und am Ende war es dann bei der Gemeindereform so wie auch in Altenbach: "Wir gingen dorthin, wo das Wasser hinfließt" – also nach Schriesheim.

Wobei sich später Friedrich Müller als Alt-Ursenbacher erinnern sollte, dass man schon immer enge Verbindungen an die Bergstraße hatte – denn da gab es, anders als in der näheren Umgebung, die meisten Geschäfte. Und doch hat sich in Ursenbach viel Dörfliches gehalten, hier steht man noch zusammen, wenn es ans Feiern geht – und so dankte Pfrang den vielen Ehrenamtlichen und Helfern, die das Fest erst möglich gemacht hatten. Und nicht zuletzt den Grundstückseigentümern, die auch mitzogen. Wie Klaus Ginal, auf dessen Hof das Festzelt stand. Er stammt eigentlich aus Oberflockenbach, lebt jetzt in Schriesheim – und meint: "Als Odenwälder muss man zusammenstehen!"

Bürgermeister Oeldorf fand deswegen auch, dass das kleine Dorf "seine Eigenheiten behalten" sollte: "Eingemeindung heißt nicht, dass alles gleich wird." Alles in allem hätten die letzten 50 Jahre "allen Vorteile gebracht" – und in den "guten wie den schlechten Tagen einer Ehe" hätten die besseren am Ende überwogen. Und auch Weinkönigin Knapp fand, man sei zusammengewachsen – und "froh und dankbar, dass Ursenbach zu Schriesheim gehört".

Nun schlug aber die Stunde der Ursenbacher selbst: In einem charmant-ironischen Theaterstück stellten sie die Eingemeindung aus Ursenbacher Sicht nach – mit vertauschten Rollen: Die Schriesheimer ersuchen die Ursenbacher um den Anschluss. Deren Gesandte (Rosemarie Edelmann) hat aber eine lange Liste an Wünschen: Man wolle endlich "eine verlässliche Busverbindung" – worauf die Ursenbacher am Ratstisch in schallendes Gelächter ausbrachen und das Zelt applaudierte.

Da wussten es auch die Kernstädter: Das seit Jahrzehnten währende Problem mit dem Bus ist immer noch aktuell. Geradezu dreist die anderen Wünsche aus der Kernstadt: schnelles Internet und dann auch noch an den Hinweisschildern am Tunnel "Schriesheim" statt "Ursenbach-West". Angesichts der Schriesheimer Wunschliste sagte der Ursenbacher Bürgermeister (Rolf Pranner) fast resigniert: "Am Ende wollt Ihr noch einen Radweg." So lehnten auch die anderen Ursenbacher Vertreter (Imke Felden und Nelly Pranner) die Forderungen des kleinen Schriesheims ab: "Es ist alles geklärt, wir sind nun bereit, Schriesheim einzugemeinden", so der Schultheiß; auch die Schriesheimerin fügte sich, nachdem sie zwei Flaschen Wein bekommen hatte: "Wenn Ihr das Beste für uns wollt, dann stimme ich auch mit."

Kurz: Eine sehr kurzweilige Sache, zu der der souveräne Moderator des Festakts, Uwe Petzold, nur sagte: "Eventuelle Ähnlichkeiten mit Eingemeindungen sind natürlich rein zufällig." Und das Theaterstück prägte auch das Wort des Tages: Ursenbach sei das "Bhutan des Odenwaldes": Man sei zwar klein, aber hier sei das Glück der Einwohner der Maßstab – wie es das Königreich im Himalaja vorgemacht hat.

Die Bhutan-Metapher griff auch der Journalist Konstantin Groß, vor 20 Jahren Autor der Dorfchronik, in seiner Festrede auf. Denn das kleine Ursenbach wäre vor 50 Jahren allein nicht lebensfähig gewesen, man brauchte das Zusammengehen mit Schriesheim – wie Schriesheim auch die beiden Ortsteile brauchte, um selbst nicht eingemeindet zu werden. Und doch: Ursenbach schrumpft, Groß hatte die aktuellen Zahlen mitgebracht: Es gibt nur noch 144 Einwohner. Da stellt sich schon die Frage, "ob es gut so ist" (Groß), dass das Dorf sich nicht mehr erweitern darf.

Das war auch ein bisschen das Thema einer Talkrunde zwischen dem Alt-Ursenbacher Friedrich Müller, den drei Kinder – Anna Köster, Hannah Rudolph und Alessio Scali – befragten. Hannah wollte wissen, ob das Dorf heute noch genauso aussieht wie früher. Müller, der einst seinen Bauernhof am heutigen Buswendeplatz hatte (und dann auf die Ursenbacher Höhe, also auf Weinheimer Gemarkung aussiedeln musste), meinte: "Ja, fast. Zwar gibt es heute weniger Bauernhöfe, aber noch viele alte Gebäude." Und als Alessio nach Schule und Kindergarten fragte, antwortete Müller: "Es gab keinen Kindergarten, aber eine Schule mit acht Klassen in einem Raum." Und doch sei aus allen Schülern etwas geworden. Dann fragte Müller die Kinder, was ihnen am Dorf nicht gefalle: "Manchmal die Busverbindung. Man wartet, und der Bus kommt nicht", sagte Alessio – und war sich darin mit Hannah und Anna einig. Trotz aller Klagen: Alle drei können sich vorstellen, mal als Erwachsene hier zu wohnen – wobei Alessio meinte: "Erst, wenn ich älter bin." Und was gefällt den Kindern hier? Auch da sind sie sich einig: "Die Natur!"

Und schließlich hatten auch die drei Ursenbacher Tenöre (Hans und Manfred Sommer sowie Rolf Pranner) einen ihrer seltenen Auftritte: Sie sangen das "Orschebach-Lied". Und darin heißt es ja zur Melodie des "Badner Lieds": "O mein geliebtes Orschebach, ich will nicht weg von hier. Die weite Welt, sie lockt mich nicht. Ja, mein Herz, das schlägt hier." Das gilt auch für die Kinder – irgendwann mal.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung