25.04.2024

Wie man einer entkräfteten Brieftaube hilft

Zwei Wochen fütterte ein Altenbacher den Vogel durch. Nun holte ein Vertrauensmann des Züchterverbandes die Taube ab.

Von Micha Hörnle

Schriesheim-Altenbach. Carsten Junghans hatte vor etwas über zwei Wochen ein merkwürdiges Erlebnis: Der Altenbacher schichtete gerade im Keller Brennholz auf, da sah er dort eine völlig erschöpfte Taube. Da er selbst Hühner hat, gab er ihr etwas von deren Futter, vor allem aber Wasser, schließlich war es in diesen Tagen außergewöhnlich heiß. Zunächst hoffte er noch, dass das Tier, sobald es wieder zu Kräften gekommen war, selbstständig den Heimweg antreten würde. Doch nichts dergleichen, die Taube wollte nicht weichen.

"Sie blieb Tag für Tag hier, flog uns im Garten hinterher und fing an, auf der Fensterbank zu übernachten", wie er der RNZ berichtet. "Wenn wir abends auf dem Balkon saßen, dauerte es nicht lange, und sie war – mit gebührendem Sicherheitsabstand – auf des Nachbars Dach und beobachtete uns." Tagsüber flog die Taube immer mal weg, aber abends kehrte sie immer wieder zurück: Vielleicht war die gesicherte Verpflegung in Altenbach ihr wichtiger als der Drang, in den heimischen Schlag zurückzukehren.

Wie sollte es jetzt weitergehen? Gute Frage: "Nun waren wir für so einen Fall relativ schlecht vorbereitet, also Internetrecherche." Und so stieß er auf einen Leitfaden des Verbandes der deutschen Brieftaubenzüchter und nahm Kontakt mit dessen Essener Hauptstelle auf. Die nannte ihm eine Vertrauensperson in der Region: "Ziel war es, die Taube einzufangen und für einen Rücktransport vorzubereiten."

Denn schon schnell war ihm klar: Bei dem Vogel muss es sich um eine Brieftaube handeln, denn sie war beringt. Auf den Ringen stehen vor allem drei Daten: die Vereinsnummer (in dem der Eigentümer registriert ist), das Geburtsjahr der Taube und eine fortlaufende Identifikationsnummer. Also ist es für den Züchterverband relativ leicht, den Besitzer auszumachen.

Unterdessen handelte Junghans, auch ohne es vorher gewusst zu haben, richtig: Er versorgte die Taube mit Wasser und Körnern. Die Brieftaubenzüchter raten nämlich: "Häufig reicht der Taube zur Erholung schon die Versorgung mit Trinkwasser. Im Taubenschlag sucht die Taube die sogenannte Tränke auf, aber eine kleine Schale mit Wasser im Sichtbereich der Taube reicht schon aus. Tauben sind Körnerfresser. Erbsen, Linsen, Bohnen, Sonnenblumenkerne, Weizen, Gerste, Mais, etwas Vogelfutter oder ersatzweise auch Haferflocken oder etwas Reis sind geeignetes Futter für eine Brieftaube."

Am Mittwoch endlich konnte Junghans das Tier bei Einbruch der Dunkelheit einfangen, als es sich zur Nachtruhe auf der Fensterbank niedergelassen hatte. Ohne zu zappeln, ließ sich die Taube in einen luftigen Gitterkorb setzen. Dann nahm er Kontakt zum Vertrauensmann auf – denn der kommt nur, wenn die Tiere eingefangen sind –, und der reiste dann auch aus dem Odenwald an. Über die beiden Ringe an den Beinen konnte er feststellen, dass es sich um ein in diesem Jahr geborenes Jungtier handelt, dass es aus dem hessischen Sinntal (gut zweieinhalb Autostunden entfernt) stammt und dass es wohl noch nicht bei Wettbewerben geflogen ist. Denn dafür wäre ein dritter, schwarzer Ring nötig gewesen – es hatte aber nur zwei, einen roten und einen gelben.

Der Vertrauensmann vermutete, das Tier könnte im pfälzischen Schifferstadt bei einer Art Trainingslauf gestartet sein – und schaffte dabei nur die knapp 30 Kilometer Luftlinie nach Altenbach. Ihm genügte die eine Telefonnummer auf einem der Ringe, um den Besitzer zu ermitteln. Der kommt entweder selbst vorbei oder lässt die Taube über eine Mannheimer Kleintiertransportfirma zu sich bringen.

Für Junghans war diese tierische Episode gleich aus mehreren Gründen lehrreich: "Ich sage ehrlich, dass ich noch vor zwei Wochen nicht gewusst hätte, wie man mit einer Fundtaube umzugehen hat." Jetzt weiß er, sozusagen notgedrungen, eine Menge darüber – und wie gut die Hilfe der Taubenzüchter organisiert und wie eng deren Netzwerk ist.

Das nun wieder zu Kräften gekommene Tier ertrug seinen Abtransport mit Fassung, wie Junghans berichtet: "Ich glaube, die Taube hat uns noch mit einem Auge zugezwinkert, als sie die Heimreise antrat."

Info: Wem eine Brieftaube zugeflogen ist, kann sich hier informieren: www.brieftaube.de/index.php/verband/taube-gefunden.html. Der Verband der deutschen Brieftaubenzüchter ist erreichbar per kostenloser Hotline: 0800/5511441 (Montag bis Donnerstag: 8 bis 16.30 Uhr, Freitag: bis 16 Uhr).

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung