Pascal Treichlers Weine sehen anders aus, riechen anders, schmecken anders.
Von Gert Steinheimer
Dossenheim/Schriesheim. Zwischen Dossenheimer Kleingärten und dem Waldrand waren wir auf der Suche nach – Guerilla-Weinbergen. Wir hatten recherchiert: Einst war dies bevorzugtes Rebengelände gewesen; lange vor der Ersterwähnung des Weinbaus im 8. Jahrhundert zogen sich die Terrassen um die Ecke herum zur Sonnenseite ob der Bruck. Heidelberger Heiligenberg hieß eine der Lagen – was für ein wundervoller Name! Bis auf ein bisschen Hobby und ein paar Ausläufer der Schriesheimer Genossenschaft fanden wir so gut wie gar nichts mehr. Und jetzt?
Anderthalb Jahrzehnte später wird der Dossenheimer Wein nach Paris und Bordeaux verkauft und ist vertreten im berühmten Laden des Jean Walch zu Strasbourg. Wie kann das sein? Pascal Treichler, dessen Domaine noch jung ist, erzählt vom Kopfschütteln der Experten, die ihm allesamt abrieten: "Nach Frankreich brauchst du gar nicht fahren, die kaufen keinen deutschen Wein."
Doch es wird noch viel unglaublicher. "Ich hab‘ nie Wein getrunken, der hat mir einfach nicht geschmeckt." Wohlgemerkt – das sagt ein Winzer. Schon mit 15 hat sich der gebürtige Mainzer, aufgewachsen in der Eifel, mit Fermentation beschäftigt. Cidre, Bier, ja, das ging alles – aber Wein? Pfui Spinne!
Erst als ihn ein Kollege auf diese neuen, uralten "Naturweine" aufmerksam machte, entstand etwas, woraus schließlich die Domaine Treichler hervorging. "Der hat mich total umgehauen: ein Weißwein …, maischevergoren …, Tee, Kräuter, exotische Früchte!" Ein vollkommen anderes Geschmacksbild also als es in der Wein-Welt für Jahrzehnte Usus war.
Wer sich heute aufmacht nach Dossenheim, sollte mindestens so viel Abenteuergeist mitbringen wie wir damals, als wir "Jäger des verlorenen Schatzes" gespielt haben.
Denn es ist ja eine andere Welt, die der naturals. Vergleichen wir rein optisch eine Versammlung rüstiger Winzergenossen mit einem coolen Meeting junger Naturwein-Aficionados, fällt die Vorstellung schwer, dass beide mit dem gleichen Produkt handeln.
Treichlers Weine sehen anders aus, riechen anders, schmecken anders. In Frankfurt, Wien und Berlin wollen die Hipster keinen reintönigen Riesling, keinen Spätburgunder mit schlichter Kirschnote. Die zwei Sorten hat auch Pascal Treichler im Programm, doch was macht er draus? Der Riesling wird zusammen mit Sylvaner eingemaischt, und zwar schon im Weinberg. Zwei bis drei Tage geben die Schalen Gerbstoff ab, und dann kommt in aller Ruhe die traditionelle Methode der Korbkelter zum Einsatz.
Die Domaine ist auf dem Weg zurück zum traditionellen Mischsatz, wozu an der Bergstraße auch der Blaue Elbling gehört, nicht zu verwechseln mit dem Bruder Leichtfuß von der Mosel. "Er wird leicht wässrig, säurebetont", meint Treichler. "Du musst ihn kurz anschneiden, wenig Ertrag erzielen. Jetzt habe ich 150 Stöcke. Er wird weiter aufgestockt."
Gemischter Satz … In und um Wien bedeutet das seit zwei Jahrzehnten die Wiederentdeckung faszinierender Aromenvielfalt, mittlerweile zum Unesco-Weltkulturerbe zählend. Pascal Treichler wagt es, Spätburgunder und Riesling zu vermählen, dazu Sylvaner, auf dass eine höhere Harmonie erzielt werde. Der Meister: "Ich arbeite so puristisch wie möglich, auch im Weinberg – und zwar nach Bio-Richtlinien.
Das Ergebnis soll das dann auch wiederspiegeln." Und wie ist es dann, das Ergebnis? Nun, der "Rote Rebell" lädt ein zu einer Rundreise auf dem Aromarad – aber auf einem ganz anderen als es die Tradition unseren Gaumen abliest. "Tout pour tous!", heißt keinesfalls zufällig eine Cuvée aus Pinot noir Direktpressung und Souvignier gris Maischegärung. Unerfahrene könnten dazu verleiten werden, von Apfelnoten zu sprechen. Gar nicht falsch … Doch das ist erst der Anfang zu einer sensorischen Erkundung, auf der alle Rezeptoren neue Erfahrungen machen.
Bislang vermarktet Pascal Treichler fast alles über Händler. Doch auch die Nachbarschaft ist ihm wichtig; so plant er Tage des offenen Kellers, wenn die Leute einfach mal – möglichst unvoreingenommen – alles probieren dürfen (Termine auf der Webseite!). Was dieser Mitbürger so treibt. Dabei sollte nicht vergessen werden, auch den einen oder anderen Cidre zu verkosten; Bergstraße, das ist cultura mista, da bilden Apfel und Traube schon immer ein Team.
Treichler denkt öko-politisch, über die Region hinaus: "Capitalism kills" steht auf der Rückseite der Flasche, "Anarchie" wurde ein gemischter Satz getauft.
Das Desgin des gelernten Mediengestalters ist kein Gag. Naturwein-Leute sind oft Aktivist*innen, die unsere Erde nicht aufgegeben haben. Daran sollten wir denken, wenn wir zum Schluss einen Cidre "Révolution de Pomme" ins Glas perlen lassen. Alle nach ihren Fähigkeiten, allen nach ihren Bedürfnissen. Vive la liberté!
Nackte Fakten
Weingut Domaine Pascal Treichler
- Adresse: Hauptstraße 28, 69221 Dossenheim
- Telefon: 01515.5408453
- Homepage: www.pascaltreichler.com
- Seit: 2021
- Lagen: Bei Dossenheim und Schriesheim
- Rebfläche: 1,5 ha
- Rebsorten: Riesling, Sylvaner, Blauer Elbling, Souvignier Gris; Pinot Noir
- Spezialitäten: Cuvée Roter Rebell, Gemischter Satz Anarchie
- Preisspanne: 18,60 – 27,20 EUR