25.04.2024

Schwarz-rot-grüne-Schunkelei zu D-Mark-Zeiten

Karl Heinz Schulz hat alle Speisekarten seit 1980 aus dem Mathaisemarkt-Festzelt.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Niemand weiß, ob es im nächsten Jahr einen Mathaisemarkt im gewohnten Sinn geben wird, 2021 und 2020 fiel er pandemiebedingt aus – immerhin wurde Mitte Mai ein großes Stadtfest als Ersatz gefeiert. Insofern zehren viele von Erinnerungen, auch Karl Heinz Schulz. Das Mathaisemarkt-Urgestein hat einen Fundus von Erinnerungsstücken ("alles seit 1980"), zwei stammen aus dem Jahr 1996.

Eine Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt eine durchaus ungewöhnliche Konstellation: Bürgermeister Peter Riehl, Karl Heinz Schulz (damals für die SPD im Gemeinderat) sowie die beiden Stadträte der Grünen Liste, Christian Wolf und Heinz Waegner – und dann auch noch beim Schunkeln, an sich nicht die größte Stärke der Grünen. An Einzelheiten dieses Schriesheimer Abends kann sich Schulz nicht mehr erinnern, da hilft ein Blick ins RNZ-Archiv weiter.

Der eigentliche Clou an jenem Freitag, 8. März 1996, war nicht die schwarz-grün-rote Schunkelei, sondern der Überraschungsauftritt von Fußballlegende Fritz Walter (1920-2002) vor 2000 begeisterten Gästen im Festzelt. Der damalige Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Bernd Schmidbauer, hatte Walter in einem Ratespiel enttarnt – was dem Weinheimer OB Uwe Kleefoot nicht gelungen war. Das Ratespiel ersetzte beim Schriesheimer Abend die Wetten, nachdem sich Riehl 1992 dabei den Fuß gebrochen hatte. Die großen zu erratenden Unbekannten waren beispielsweise Joschka Fischer (1994) und Johannes Heesters (1995).

Von 1996 stammt auch die Speisekarte von Göckelesmaier. Die ist in mehrfacher Hinsicht historisch: Erstens sind alle Preise noch in D-Mark, ein halbes Hähnchen mit Brötchen kostete damals im Festzelt 9,50 Mark, das "Laagfleesch mit grinem Bohnegemiß un Geräischdene" 14,70 Mark, das Viertel Silvaner 4,50 Mark. Zum Vergleich: Im ersten Euro-Jahr 2002 waren für das halbe Göckele 5,20 Euro fällig, das "Laggfleesch" war von der Speisekarte verschwunden, der Silvaner war für 2,90 Euro zu haben. Schulz Favoriten waren damals die Maultaschen und der Sauerbraten. Wolfgang Frank erinnert sich, dass das Lokal "Franke Doktor" immer mal wieder aushalf, wenn der Göckelesmaier mal Salat brauchte, ansonsten bevorzugte er selbst im Festzelt den Gaisburger Marsch, "aber man hat alles essen können".

Zweitens wünschte "Ihre RNZ guten Appetit", verbunden mit der Aufforderung, die Geschäftsstelle in der Bismarckstraße 30 zu besuchen. Diese schloss am 12. April 2017 nach 26 Jahren ihre Pforten.

Und natürlich, drittens, der Göckelesmaier: Der war seit 1982 für 30 Jahre Synonym für das Festzelt. 2012 zog sich der gastronomische Großbetrieb vom Mathaisemarkt zurück. Karl Maier gab vor allem wirtschaftliche Gründe an: Die Entfernung vom Firmensitz in Schorndorf war zu groß, die Fahrt samt Aufbau zu kostenintensiv, die Umsätze in Schriesheim schwankten für ihn zu stark, und schließlich machte er am meisten Kasse mit dem boomenden Cannstatter Wasen direkt vor seiner Haustür.

Auf den Göckelesmaier folgte Hans-Peter Küffner für ein kurzes Zwischenspiel von drei Mathaisemärkten. 2016 schließlich übernahm Ilona Böhm das Festzelt-Zepter. 2013 hatte sie noch gegenüber Küffner den Kürzeren gezogen. Hähnchen und Maultaschen gibt es im Festzelt noch – zumindest bis zum letzten Mathaisemarkt 2020 –, aber nicht mehr den von Schulz so geliebten Sauerbraten.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung