19.04.2024

Mathaisemarkt: Ist das Ponykarussell wirklich Tierquälerei?

Das Ponykarussell auf dem Festplatz ist immer für Diskussionen gut. Die RNZ schaute sich vor Ort um. Foto: Dorn
Das Ponykarussell auf dem Festplatz ist immer für Diskussionen gut. Die RNZ schaute sich vor Ort um. Foto: Dorn
Stefan Bügler. Foto: Dorn
Stefan Bügler. Foto: Dorn

Bürger wandten sich an den Bürgermeister und an die RNZ. Der Betreiber hat nichts zu verbergen und gewährte einen Einblick "hinter die Kulissen".

Von Max Rieser und Micha Hörnle

Schriesheim. Das Ponyreiten auf dem Mathaisemarkt-Rummel ist schon länger ein Zankapfel: Ist es Tierquälerei, die Tiere in einer Manege im Kreis laufen zu lassen oder ein kindgerechtes Unterhaltungsangebot mit Traditionscharakter? Der Markt- und Kulturausschuss entschied sich in seiner Sitzung Ende November mehrheitlich für den "Reitpalast", der jetzt auf dem Festplatz steht.

Doch die kritischen Stimmen blieben nicht aus, und auch die RNZ erreichten etliche E-Mails und Anrufe von Personen, die die Ponys lieber auf der Wiese als auf dem Festplatz sehen würden: Günther Ewald beispielsweise fragte Bürgermeister Christoph Oeldorf per E-Mail: "Warum lassen Sie Tierquälerei zu? Die Ponys finden es sicherlich nicht lustig." Katja Schöne, ebenfalls aus Schriesheim, forderte die RNZ auf: "Bitte nehmen Sie sich dieses Themas an! Das Rathaus ignoriert seit Jahren den Appell der Tierschützer!"

Vor acht Jahren, 2015, hatte es sogar mal am zweiten Mathaisemarkt-Samstag in der Talstraße eine Demonstration gegen das Ponyreiten gegeben. So etwas lehnt Schöne heute ab: "Medienwirksame Aktionen des Protestes vor Ort haben erfahrungsgemäß nur eine kurze Wirkung. Wir wollen den Veranstalter des Mathaisemarktes dazu bewegen, dieses ,Fahrgeschäft’ nicht mehr auf den Platz zu lassen. Wenn das dann deutschlandweit Schule macht, müssen die Betreiber zwangsläufig ein neues Geschäftsmodell konzipieren."

Grund genug also für einen Besuch vor Ort: Der Anblick der fünf kleinen Pferde, die eng hintereinander geführt werden, ist vielleicht nicht für jeden schön; doch macht keines der Tiere einen unterernährten, verwahrlosten oder verletzten Eindruck.

Betreiber des "Reitpalastes" ist Stefan Bügler, und er reagiert beim spontanen Besuch der RNZ an seinem Stand erst mal skeptisch: "Am liebsten würde ich nichts dazu sagen, denn es wird einem immer anders ausgelegt, und dann werden wir im Internet wieder beschimpft."

Dann taut er aber doch auf und verweist vor allem darauf, dass sein Betrieb regelmäßig kontrolliert werde: "Wir hatten unangemeldeten Besuch vom Veterinäramt, auch das Ordnungsamt der Stadt war schon da." Zu beanstanden gab es nichts. Diese Kontrollen seien normal und würden wahrscheinlich gegen Ende des Mathaisemarkts sogar wiederholt.

Bügler hat offenbar nichts zu verheimlichen. Bereitwillig zeigt er die mobile Pferdebox hinter der Arena. Der Stall ist in zehn relativ geräumige Bereiche aufgeteilt. Alles ist sauber, die Tiere haben Wasser und Futter in der Box, es wird regelmäßig gereinigt. "Das ist nichts anderes als auf jedem Reiterhof, und die Kontrollen sind bei uns weitaus strenger", erklärt Bügler.

Auf der Reitfläche sind nur fünf Ponys, obwohl der Wagen zehn Kabinen hat. Denn: "Die Ponys sind immer nur zwei bis drei Stunden im Einsatz, dann kommen sie in die Box, und die fünf anderen kommen nach vorn." Ihre Hufe würden regelmäßig kontrolliert, und das Sägemehl ermögliche den Tieren einen weichen Tritt. Insgesamt besitzt der Betrieb 22 kleine Pferde unterschiedlicher Rassen "vom Cheju- bis zum Shetlandpony ist alles dabei".

Die Tiere auf dem Rummel würden regelmäßig gewechselt. Sind sie nicht in Schriesheim, stehen sie auf der großzügigen Koppel in Bad Kreuznach, wo Bügler herkommt. Auch von der heimischen Anlage zeigt er bereitwillig Bilder und Videos auf seinem Handy: "Bei uns zu Hause würde das niemand kritisieren, weil man unseren Hof kennt und weiß, dass die Tiere gut behandelt werden."

Um diesen Standard zu halten, müsse er mit dem Betrieb, der seit 1968 besteht, Geld verdienen und sei auch auf das Ponyreiten auf den Jahrmärkten angewiesen: "Man kann schon einfacher Geld verdienen." Auch wenn er sich über den regen Betrieb am Wochenende freut: "Es wurde gut angenommen."

Insgesamt hätten die Ponys im Jahr 60 Arbeitstage. "Jedes Sportpferd muss mehr arbeiten und wird mehr gefordert", findet Marktmeisterin Ariane Haas, die ebenfalls um Verständnis für die Attraktion wirbt. "Viele hauen drauf, ohne zu sehen, worum es geht." Sie kenne Ponys aus ähnlichen Betrieben, die 36 Jahre alt wurden: "Welches Pony wird schon so alt, wenn es gequält wird?", so Haas.

Betreiber Bügler wünscht sich etwas mehr Verständnis und auch, "dass die Leute nachfragen und sich richtig informieren, bevor sie uns angreifen. Ich würde es gern erklären, aber habe oft gar nicht die Chance dazu". Viele würden beispielsweise glauben, dass der "Reitpalast" die gleichen Öffnungszeiten wie der Rummel (11 bis 24 Uhr) hätte.

"Das stimmt nicht und würde sich für uns gar nicht lohnen." In der Regel sei spätestens um 20 Uhr im "Reitpalast" Schluss: "Zu uns kommen nur Familien mit Kindern, und die sind abends nicht mehr da."

Nina Weiß hebt gerade ihre kleine Tochter vom Pony. Auch sie habe gemischte Gefühle: "Es ist ein Zwiespalt wie im Zoo. Eigentlich würde man sich eine artgerechte Haltung wünschen, aber für die Kinder geht man dann halt doch mal hin."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung