28.03.2024

Jungwinzer "komponieren" Bergstreet-Gin

Es gibt einen neuen Wacholder-Schnaps mit regionalen Aromen. Nur 120 Flaschen wurden abgefüllt.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Vor 30 Jahren schien es so, als würde eigentlich nur noch die Queen Mum, die Mutter der kürzlich verstorbenen englischen Königin Elisabeth II., Gin trinken. Das hat sich geändert, mittlerweile ist der Wacholderschnaps das Kult-Getränk der Jungen. Und da die Jungwinzer-Gruppe der Winzergenossenschaft (WG) am Puls der Zeit ist – man denke nur an die Weinparty "Rebenbeben" eine Woche nach dem Stadtfest – , kam sie auf die Idee, einen eigenen Gin zu kreieren. "Alle trinken Gin", sagt Sophie Koch, "aber uns sind dabei Qualität und Herkunft wichtig – also ein Gin mit Bergsträßer Aromen."

Und tatsächlich machen die den eher sanften Geschmack dieser Spirituose aus: Gewürztraminer-Trauben, Rosenblätter, Quitten und Rosmarin, der sogar im Wingert wächst – und natürlich Wacholder, wie Christina Schmitt, Nadja Lamprecht und Moritz Koch berichten. Die Aromen werden mit Alkohol extrahiert und später mit der eigentlichen Basis – im Grunde ganz normaler Schnaps aus Getreide – destilliert. Hier werden also nicht künstliche Aromen wie in den Massen-Gins zugesetzt, alles ist ganz natürlich und eben regional, sagt Schmitt. Das hat eben auch seinen Preis: Der "Bergstreet Gin" – Namensähnlichkeiten zu der Jungwinzer-Gruppe "Bergstreet Guys" sind kein Zufall – kostet 38 Euro in der Halbliterflasche, die mit dem Rillenglas hübsch altmodisch-edel wirkt.

So richtig feste Regeln oder gar ein Reinheitsgebot wie beim Bier gibt es beim Gin nicht, "man ist da relativ frei in der Handhabung", sagt WG-Geschäftsführer Manuel Bretschi: "Wir haben einfach geschaut, was zusammenpasst", erklärt Sophie Koch. Passend zur Jahreszeit dachte man sogar daran, dem Schnaps Tannennadeln zuzusetzen, aber irgendwie passte das nicht: "Vielleicht das nächste Mal", so Lamprecht. Wobei der Verkaufsstart in der letzten Woche schon ein bisschen aufs Weihnachtsgeschäft zielte: "Eine coole Idee zum Verschenken", winkt Schmitt mit dem Zaunpfahl. Zumal der "Bergstreet Gin" nur in limitierter Anzahl in den Verkauf kommt: Nur 120 Stück gibt es – und zwar ausschließlich im Verkaufsladen der WG.

"Die beschränkte Zahl macht das schon zu etwas Besonderem", meint Lamprecht, und Bretschi rechnet damit, "dass nach Weihnachten wohl alles weg ist" – auch wenn der Gin im Moment das mit Abstand teuerste Produkt der WG ist (und auch nicht groß beworben wird). Und es wird auch nicht so sein, dass sich nun die WG von ihrer Kernkompetenz, dem Wein, abwendet, auch wenn "es für viele überraschend ist, dass wir auf einmal Gin produzieren", wie Bretschi zugibt. Diese Spirituose sei eher eine "Spielwiese" (Bretschi) der Jungwinzer, die eben beweise, dass sich die junge Generation samt ihrer ganz eigenen Handschrift einbringe: "Ich finde, dass nichts dagegen spricht", sagt der WG-Geschäftsführer – und wiederholt sein Mantra "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit."

So richtig ist der Gin auch nicht ein Kind der WG, auf der Flasche fehlt beispielsweise ihr Logo. Und er wurde noch nicht einmal in Schriesheim, sondern in Heidelberg produziert: Dort, unweit der Hochhaussiedlung Emmertsgrund hoch über Leimen, hat sich mittlerweile Andreas Bauer den Ruf eines Edelbrände-Experten erarbeitet – auch wenn er eigentlich aus einer Winzerfamilie stammt und natürlich weiter Wein anbaut, den er allerdings bei Wieslocher Genossenschaft ausbauen lässt. Bauer und Bretschi kennen sich von ihrer gemeinsamen Zeit an der Wein-Hochschule Geisenheim, und da lag eine Zusammenarbeit nahe – zumal sich die Schriesheimer WG "mit einem neuen Produkt neu profilieren" will, so Bretschi. Deswegen schauten sich die "Bergstreet Guys" in Bauers Brennerei genau um, erlebten auch eine Brände-Probe – um nachher überzeugt zu sein, dass man mit Bauers Hilfe einen eigenen Bergstraßen-Gin hinbekommt.

Wobei die Jungwinzer schon so ehrlich sind, den Wacholderschnaps nicht zu ihrem Favoriten auszurufen: "Das ist nicht mein bevorzugtes Getränk", gesteht Moritz Koch, "aber dieser Gin hebt sich von den anderen ab: Er ist besonders, hat etwas Fruchtiges." Seine Schwester Sophie mag als ehemalige Weinkönigin (2018/19) Gin "eher mal abends", und auch Philipp Jäck-Knopf ist auch nicht so der Gin-Trinker – hat aber immerhin bei der Bergstraßen-Spirituose "Rose herausgeschmeckt". Immerhin Christina Schmitt, auch eine Weinkönigin (2003/04), "outet" sich als Freundin des Wacholderdestillats: "Wenn ich keinen Wein trinke, dann Gin: Ich habe etliche Leute in meinem Umfeld, die da richtige Experten sind." Auch Bretschi ist kein ausgewiesener Spirituosen-Freund, weiß die aber auf Partys durchaus zu schätzen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung