25.04.2024

Die Schätze aus der Blechkiste von Adam Frohns Mutter

Adam Frohn fand eine kurze Augenzeugen-Notiz zum Kriegsende 1945, aber auch zwei Festschriften mit vielen Fotos und nostalgischer Werbung.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Adam Frohn hütet eine kleine Rarität: eines der wenigen Zeugnisse vom Kriegsende 1945 in Schriesheim. Seine Mutter Katharina Daub, damals 25 Jahre, schrieb lakonisch auf einen Zettel: "Am 28. März 1945 abends 20 Uhr sind die Amerikaner nach Schriesheim gekommen." Wie so vieles, was sich damals alles ansammelte, warf sie auch diesen Zettel in eine Blechbüchse. In der kramt Frohn heute noch gern ("Ich finde immer etwas"), und so fand er auch einen Zeitungsausschnitt von 1971, von der Krönung der Weinhoheiten: Es zeigt den jungen Frohn, damals Mitte 20, bei der Übergabe der Insignien. Groß katalogisiert wurde damals nichts, "meine Mutter hat das einfach aus der Zeitung rausgerissen", sagt der 75-Jährige.

In der Kiste lag zudem eine Kopie vom 25-Jahr-Jubiläum des MGV Eintracht 1924, das mit einem dreitägigen Fest "mit Gesangswettstreit" im "Hirsch" gefeiert wurde. Sein Großvater Jakob Daub gehörte 1899 zu den Gründungsmitgliedern der Eintracht – und bekam just 1924 als Schneider vom Verein den Großauftrag, die Sänger mit einheitlichen Uniformen auszustatten. So steht es in Frohns vor zwei Jahren erschienenem Buch über die Schmale Seite, das sich vor allem mit dem Leben seiner Großmutter Stephanie Daub beschäftigt (RNZ vom 28. August 2020).

Zudem, auch so ein Schatz aus der Blechkiste, barg Frohn zwei Broschüren, die der RNZ schon häufiger auf ihrer Fundstücke-Tour begegnet sind – beides Festschriften. Die eine erschien zum 75. Jubiläum des Turnvereins 1958, die andere zur 1200-Jahr-Feier 1964. Bei beiden fällt auf, wie liebevoll und aufwändig sie gemacht waren, mit vielen Fotos – aber vor allem mit einem beeindruckenden Annoncenteil, der fast die Hälfte der Festschriften umfasst. Wie er oder vielmehr seine Familie zu diesen Festschriften gekommen ist, weiß Frohn nicht mehr. Er selbst war "nur als Bub Turner", dann wurde er Handballer, bis vor knapp fünf Jahren war der Ur-Schriesheimer, der aber seit knapp 30 Jahren in Ladenburg wohnt, Torhüter-Trainer in Großsachsen. Die Stadt-Festschrift hingegen war damals in fast jedem Schriesheimer Haus­halt zu finden. Wie schon zum Beginn der "Fundstücke"-Serie, beim alten Stadtplan, ist die alte Werbung mit längst verschwundenen Firmen (und ihren oft nur dreistelligen Telefonnummern) besonders interessant – und zwar in beiden Festschriften.

Beeindruckend ist die enorme Zahl von Lebensmittelläden – wie der von Meta Kroll in der Schmalen Seite, die als ihre Spezialitäten angibt: "Goldhähnchen, Hühner, Wild und Fische, Tiefkühlgemüse – moderne Tiefkühlanlage". An den Feinkostladen von Karl Mauer kann sich Frohn auch noch gut erinnern: Als Kind sammelte er für Mauer Kastanien, aber auch Schnecken. Die Tiere, die Mauer dann zu mickrig waren, gab es dann bei Frohns zu Hause auf dem Tisch. Gerade bei Mauers Laden lohnt ein Blick auf die Adresse: "Neue Anlage 1". Das ist die alte Bezeichnung für die Talstraße zwischen der Landstraße und der "Kreuzgasse". Die gibt es heute auch nicht mehr, sie ist der vordere Teil der Heidelberger Straße. An die allermeisten Geschäfte kann sich Frohn noch erinnern, da schweift sein Blick auf die Anzeige des Weinbaubetriebs von Georg Pfisterer: "Das war der erste biologische Winzer in Schriesheim. Viele haben über ihn gelacht, aber er war sehr rege."

Nostalgisch mutet heute die enorme Bandbreite der Gastronomie in Schriesheim an – wie das Café Fuhrer ("Das Café von Format"), der Branich-Gasthof "Schauinsland" ("in 300 Metern Höhe, bekannt durch gute Speisen und Getränke – schöner Garten, gemütliche Gasträume, herrlicher Blick nach der Rheinebene, Hardtgebirge und Vogesen") oder die "Goldene Rose" ("beliebtes Ziel bei Vereins- und Betriebsausflügen – mehrfach prämierte eigene Weine"). Oder die vielen Autohäuser – gleich zweimal Gärtner (eins für VW von Ernst Gärtner, eins für Fiat von Karl Gärtner), dazu die Werkstatt von Jean Forschner, der auch Opel-Händler war.

Fast alle inserierten auch bei der Stadt-Festschrift sechs Jahre später. An das 1200-Jahr-Jubiläum erinnert sich Frohn durchaus noch: Er war damals 17 Jahre, machte eine Lehre bei der Mannheimer Schlosserei Gordt – und hatte eigentlich, da er kurz vor der Gesellenprüfung stand, fürs Feiern keine Zeit. Natürlich tat er es doch ("Wir wurden damals aus dem Festzelt rausgekehrt"), aber noch heute beeindruckt ihn der Festzug: "Der war toll, die Vereine haben sich gut beteiligt. Das hatte man dem Heeger gar nicht zugetraut." Bürgermeister Wilhelm Heeger amtierte 1964 zehn Jahre, er galt zwar als guter Verwaltungsfachmann, wird aber auch als recht spröde beschrieben. Die 1200-Jahr-Feier samt Wiedererhebung Schriesheims zur Stadt – nach 494 Jahren! – gilt heute als einer der Höhepunkte seiner Amtszeit.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung